Literaturkritik

Nachdem ich eine Zeitlang viel zu viele Besprechungen in viel zu kurzer Zeit geschrieben habe, und dann tatsächlich so ausgelaugt war, dass das Lesen nur noch Arbeit war, folgte eine Zeit der unbewussten Totalverweigerung, ich las nur noch Bücher, die ich nicht besprechen musste und schob die Arbeit wochenlang vor mir her. Nachdem ich diese beiden Extreme nun überwunden habe, keimt die Hoffnung, ich werde möglicherweise in naher Zukunft ein gesundes Maß für mich finden.

Was bleibt sind die Zweifel, die immer wieder neu sich stellende Frage, was eigentlich die Aufgabe einer Besprechung ist, was sie leisten muss, was sie nicht leisten kann. Dazu hat Andreas Wolf auf Sichten und Ordnen kürzlich einen sehr lesenswerten Artikel geschrieben, in dem er die „Ränder der Texte“ preist, und im wesentlichen daran erinnert, dass es keine richtigen und falschen Auslegungen eines Textes gibt und, was für mich persönlich noch wichtiger ist, dass Literatur als Gespräch zu verstehen ist, jeder Text die Einladung zu einem Dialog darstellt. Dass man nicht mit jedem reden möchte, ist verständlich, aber eben nur eine persönliche Entscheidung, kein Urteil.

13 Gedanken zu “Literaturkritik

  1. Der Witz ist: Mein Text hat mir die Einladung eingebracht, selbst Buchkritiken für „Glanz & Elend“ zu schreiben. Habe natürlich sofort zugesagt und jetzt sitze ich da und weiß gar nicht, wie man das eigentlich macht: so richtige Literaturkritiken schreiben. Hm.

    1. Ich bin absolut zuversichtlich, dass Deine Besprechung eine gute und lesenswerte werden wird, nicht nur, weil Du um die Bedeutung der Ränder weißt, sondern vor allem, weil Du weder selbstverliebt noch selbstgerecht daherredest. Und, das ist vermutlich das Entscheidende, Du nimmst Deinen Gesprächspartner ernst. (womit ich in diesem Fall das Buch meine. Das nur als überflüssige Spezifizierung).

  2. … dass Literatur als Gespräch zu verstehen ist, jeder Text die Einladung zu einem Dialog darstellt. Dass man nicht mit jedem reden möchte, ist verständlich, aber eben nur eine persönliche Entscheidung, kein Urteil.
    Diese Sätze drücken für mich so viel aus, vor allen Dingen aber den Respekt über dem Gefallen und Nichtgefallen hinaus. Wenn doch mehr KritikerInnen dies beherzigen würden!
    Vielleicht finden wir nur die Mitte, indem wir zunächst in die Extreme gehen … ch bin mir (fast) sicher, dass es so ist!

  3. Gibt es eigentlich auch beim Koran samt der daraus abgeleiteten Scharia kein richtiges und kein falsches Auslegen eines Textes? Wenn dem so ist, sollte es mich freuen, denn das beschert uns die ewigwährende Herrschaft des Patriarchats samt Stockhieben für unliebsame oder schwachmatische Blogger:innen. Keine schlechte Vorstellung, wenn ich länger darüber nachdenke.

  4. Im übrigen scheint mir die Überschrift „Literaturkritik“ denn doch ein Euphemismus oder einfach nur als Eyecatcher eingesetzt. Mit Literatur und mit Kritik hat all das von Dir und Wolf propagierte weniger als nichts zu schaffen.

      1. Nicht nur im Management, sondern auch in der Rangordnung von Literaturkritik und Literaturjournalismus, neigt der Mensch dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.

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