Meine Kinder sprechen kaum noch mit mir. Wir haben jetzt exakt die Situation hier, die ich aus Filmen schon lange als „Hotel Mama“ kenne. Ich wasche, putze, koche und bin im übrigen unsichtbar. Es ist nicht so, dass mich das alles überrascht, es kommt auch nicht wirklich plötzlich. Schön ist es trotzdem nicht.
Es ist eine andere Art der Unsichtbarkeit als die, die ich letzten Freitag wieder auf einer Gemeinschaftslesung erlebt habe. Anders, aber in einigen Facetten doch sehr ähnlich. Alles andere ist wichtiger, interessanter als ich. Am Freitag waren das die anderen Texte. Dabei war ich wirklich gut. Inzwischen habe ich mir angewöhnt auch etwas zu den einzelnen Gedichten zu sagen, ich bin nicht aufgeregt, ich kann sogar manchmal fast lustig sein. Wie gesagt, ich war ganz gut. Sansibar ja sowieso. Der kann ja gar nicht anders. Aber irgendwie hat es keiner gemerkt. Ich habe mich mit meinen Kollegen unterhalten, bis jemand aus dem Publikum zu ihnen kam, um ihnen zu sagen, wie grandios, lustig, unterhaltsam etc. pp. ihr Beitrag gewesen ist, und ich das Feld räumte, um zu einer anderen Kollegin zu gehen, die ihr begeistertes Publikum gerade verlassen hatte. Manchmal denke ich nach solchen Ereignissen, ich sollte doch wieder Prosa schreiben, denn da liegt ja mein Anfang. Ich habe lange nur Prosa geschrieben und bin erst relativ spät zur Lyrik gekommen. Aber zum Glück geht das vorbei. Etwas schreiben von dem man annimmt, dass es dem Publikum gefällt, also ehrlich; dann kann ich es auch gleich bleiben lassen. Oder Texterin werden, im Auftrag Geburtstagsgedichte schreiben oder so etwas.
Und außerdem ist das ja auch nicht die ganze Wahrheit. Die ganze Wahrheit über diesen Abend, aber eben nicht die ganze Wahrheit über meine Lesungen. Ende April z.B. habe ich vor relativ wenig Publikum aus Sansibar gelesen und daraus hat sich eine Einladung zu einer Lesung ergeben, die morgen stattfinden wird. Wir gefallen eben nicht jedem, Sansibar und ich. Und das ist auch gut so.
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