Märchen

Gegeißelt von leutseligen Leinen aus Licht, sehne ich mich zurück zu den Märchen, den drei Tropfen Blut im Schnee, oder dem Stich mit der Spindel, zu Rapunzels endlos langen Haaren, und dem trotzigen Mut der im Wald ausgesetzten Geschwister. Zu Rotkäppchen, das vom Weg abkommt und Hans, der unbeschwert in die Armut zurückkehrt. Zu Sterntaler, der alles in den Schoß fällt, weil sie vorher bis auf das letzte Hemd alles selbstlos geteilt hat. Während ich verschwinde in meinen Befürchtungen, mich immer tiefer verstricke in die Lügen, die ich mir über das Leben erzähle. Und alle beginnen mit: ich war einmal.

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Der Fisch und die Fee

 

Es war einmal ein Fisch
Der hatte drei Brüder
Die wurden Jäger und Postboten und Milchmänner
Sie wurden alles gleich mehrfach
Weil sie sich so befangen fühlten in ihrer Wirklichkeit

Der Fisch aber verkam in seinem Glas
Staub legte sich auf seine Augen
Und das Wasser ward trüb
So schaukelte der Fisch gedankenverloren durch niederträchtige Träume
Bis ihm eine Fee erschien die sagte
Küss mich und es erfüllen sich drei Wünsche
Was für Wünsche fragte der Fisch
Und die Fee antwortete 
Wie seltsam ich kann dich verstehen
Dann küssten sie sich
Aber sie küssten sich drei mal
Und das war gegen die Bestimmung

So wuchs dem Milchmann ein Bart
Der war so lang dass sich jeden Mittag die Suppe darin verfing
Und seine Familie musste fortan hungern
Also sprach seine Frau
Mann du musst zu deinem Bruder gehen der kann dir den Bart erschießen
Und der Milchmann fraß Kreide damit seine Stimme heller klang 
und begab sich zum Jäger

Bruder sagte er lieber Bruder
Hab Mitleid mein Bart treibt die Familie in den Ruin
Und weil er die Worte mit einer so feinen Stimme sprach
Putzte der Jäger sein Gewehr und schoss

Der Schuss aber segelte noch lange durch die Luft
Von Haus zu Haus und durch den Wald 
Vorbei am idyllischen Reh und zu Hänsel und Gretel
Die liefen ihm nach
Schließlich konnte Hänsel den Schuss fangen
Gretel aber fragte den Postboten nach einem Brief
Ihr müsst mir helfen meinen Bruder den Fisch zu finden sprach er
Sonst ist es aus mit eurer Großmutter

Da küsste Hänsel die Gretel
Und er küsste sie dreimal
Weh mir schrie der Postbote
Und verwandelte sich in eine Brieftaube

Hänsel und Gretel
Und der Fisch und die Fee 
Aber lebten in Frieden 
Und teilten sich die Miete für ein Zweifamilienhaus

 

Es war einmal

Dieses es war einmal

geht schneller als man denkt

Es war einmal

Das Glück

Es war einmal

Die schöne Königstochter

Es war einmal

Der Prinz

 

der sich in einen Frosch verwandelte

Als er noch Prinz war

hieß er Hans

Aber das hat nichts zu sagen

so hießen viele damals

Drittgeborene Müllersöhne

Kinder von hungerleidenden Tagelöhnern

die Sprecher der Wetternachrichten

 

Kurz

Alle die die jedes Mal hielten

was sich niemand versprechen lassen wollte

Die das Glück mit halbseidenen Tauschgeschäften herausfordern wollten

und sich als Matrosen zum Strümpfestopfen anheuern ließen

um sich beim ersten Landgang

eine Katze auf den Buckel zu setzen

und ein Lebkuchenhaus zu bauen

 

Nur der Prinz der sich in einen Frosch verwandelt hatte

blieb sich treu

ein glibberiges Krötentier

dem die Augen aus dem unkengrünen Schädel quollen

weil er die Kugel verschluckt hatte

um die die Prinzessin Tag für Tag weinte

[Ort der Augen 03/2012)

Rapunzel und Hans im Glück

Sie

Erst hatten wir nichts voneinander gewusst. (Ich kannte nur den Turm und die Stiefmutter.) Dann haben wir uns aus den Augen verloren. (Einer von uns hatte die Augen verloren, hieß es in den sehr alten Schriften, die wir einander vorlasen, als bekämen die Worte erst durch uns einen Sinn.)

 

Er

Sie lebte allein. Sie hatte Talent. Sie sang diese sehr alten Lieder. Ihre Stimme war golden. Ich hatte schon manches Gold besessen, es hatte mir nichts bedeutet. Ich hatte alles leichtfertig weggetauscht, aufs Spiel gesetzt. (Verloren, sagten die meisten.) Meinetwegen verloren. Ich hatte es nicht bemerkt, hatte nichts bereut. Dieses Gold hatte mir nichts bedeutet. Ihre Stimme, ihr Haar, der Schatten ihrer Bewegungen hinter dem Fenster, war das erste, das ich wirklich besitzen wollte.

 

Sie

Hören und sehen, sagen sie. Meine Zeit aber ist befleckt.

 

Er

Wie das Leben vorbeischlendert. Nichtsnutzig. Unbeschwert. Ungerührt.

Sie hatte Rapunzel für ihr Eigentum gehalten. Ich hielt sie für mein Glück. Als wir aufeinander trafen, trat das Leben ein Stück zurück. Die Alte verlor alles. Ich verlor nur die Sicht. Und gewann eine neue Suche.

 

 

Schneewittchen

Schneewittchen glaubte an Märchen
die ihr niemand erzählte
weil außer dem Spiegel
keiner mit ihr sprach

Sie pflanzte Rosen an
weil sie hoffte
so könnte sie der Prinz für Dornröschen halten

Aschenputtel für sieben Kleinwüchsige
zu spielen
schien ihr nicht erstrebenswert

wer will schon den Frühling abwarten
wenn die Lust auf Liebe in den Winter schneit
und in Schneewittchens Gesicht
war immer Winter
weiß wie Schnee
aber mit drei Tropfen Blut
wenn das keine Drohung war

Aber sie glaubte ja an Märchen
so sehr
dass sie Frösche küsste
und niemals vom Weg abkam
um Blumen zu pflücken
und nicht mit ihrem Spiegel sprach
dem einzigen
der ihr wirklich etwas zu sagen gehabt hätte

Rotkäppchen

Sie schlug die Augen auf

Na gut, wieder ein Tag

Wieder ein Himmel und

ein Bett das man verlassen konnte

Sie nahm den roten Hut malte ihre Lippen an

Wein im Korb  Kuchen

Das musste reichen

Sie machte sich auf den Weg

Im Wald raschelte das Laub

zwitscherten die Vöglein

begegnete ihr der Wolf

Geh mir aus dem Weg sagte sie

Ich muss zur Hexe

Zu spät sagte der Wolf

die habe ich längst gefressen

Wenn ich aufstoße kommen mir immer noch ihre Zaubersprüche hoch

Doch nicht zu der sagte sie

Und jetzt lass mich vorbei

Du musst noch Blumen pflücken sagte der Wolf

Ja ja sagte sie

und Steine sammeln für deinen Bauch

Der Wolf war nicht besonders klug

Er senkte den Kopf und schlich ihr nach wie ein geprügelter Hund

Sie wiegte ihre Hüften

Sie schwebte

Sie tanzte

Er durfte gar nicht hinsehen

Und dieser süße Duft

Sie schlug an die Tür

Ich bins mach auf

Ein paar Dielenbretter knarrten

Ein Schlüssel bewegte sich rostig im Schloss

Dann war sie weg

Die Tür schlug zu

Und wenn sie nicht gestorben sind

Dann wartet er noch heute

Hänschen klein

„Leb wohl“, sagt Hänschen zur Mutter. „Ich suche das Glück. Ich habe geträumt, es gibt Glück und das Glück liegt weit ab von hier. In der Fremde klingen meine Schritte nicht folgenlos und deshalb nehme ich den Hut und lasse Dir die Schwester da.“

Die Mutter lehnt im Türrahmen, Hände in den Taschen und in den Zügen kein bisschen geteilte Zuversicht. Das Leben ist kein Spaziergang. Das Leben ist nicht als Heimkehr gedacht. Du lässt mir die Schwester und den Hunger, denkt sie, aber dann hebt sie doch die Hand und winkt und vergießt ein paar Tränen über die Sinnlosigkeit des Verlustes.

Der Morgen graut, der Abend naht, so gehen die Tage und die Nächte sind verschwiegen. Was in uns liegt, passt in keinen Traum und in kein Erwachen, also lassen wir es liegen und kümmern uns nicht darum. Der Sohn fort gegangen, unterwegs auf der Suche nach dem Glück, die Tochter zurückgeblieben und von einem Mann war erst gar nicht die Rede. Die einen machen ihr Glück, während die anderen es nur suchen und die Mutter bleibt zu Hause und lässt die Tage verschwinden. Ab und zu ein Traum wie eine Postkarte.

Die Versuche, die nicht aufgeben, wenn wir schon längst unsere Fahnen gestreckt haben.

Sieben Jahre lang in die Luft sehen, trüb und klar und dann eines Morgens den Heimweg antreten. Die Sonne im Rücken, die Schritte seltsam schwer, aber Hänschen ist jetzt Hans geworden und so schreitet er voran, ohne noch einmal einen Blick zurück zu werfen, auf die begangenen sieben Jahre, die hinter ihm liegen, vergangen und vorbei. Vor ihm liegt die Zukunft, vor ihm liegt der Weg nach Hause. Aber kaum hat er den Pfad betreten, endet er auch schon. Der Heimkehrer kann seine eigenen Gedanken nicht verstehen so laut ist das Gerede im Dorf.

Seine Schwester ist die erste, die ihn sieht. Sie starrt ihn an und läuft nach Hause zur Mutter. „Mutter, Mutter, da ist ein Fremder ins Dorf gekommen. Braun gebrannt, Stirn und Hand.“ Und die Mutter rührt in der Suppe, hebt den Blick, lächelt ihr müdes Lächeln. „Bleib nur hier. Ich will ihn mir ansehen.“

Und wieder Tränen in den Augen, sobald sie ihn sieht. Sehen und erkennen sind eins und auch die Frage: „Was hast du mitgebracht, Hans, mein Sohn?“

Und der zeigt ihr seine Narbe und sie nickt.

Jetzt hat mir das Leben auch noch das Warten genommen, denkt sie und kehrt mit dem Sohn in ihr Haus zurück.

Von gläsernen Särgen und tiefen Brunnen

Wir waren sieben und voller Sorge. Wir sorgten uns um Schneewittchen, der wir Zuflucht verschafft hatten in einem gläsernen Sarg.

Jeden Montag kam ihre Mutter zu uns ins Bergwerk. Sie war eine erbärmliche Erpresserin, ihre Fantasie hatte sie längst verlassen. Manchmal stellten wir uns vor, wie es für einen eitlen Menschen wie sie sein musste, so unaufhaltsam zu zerfallen. „Was tut sie mit dem ganzen Geld?“ fragte mich Panovsky.

Ich vermute, sie kauft sich Spiegel, die sie nachher zerstört“, antwortete ich. Die anderen lachten. Es klang nicht fröhlich.

Sie hat eben kein Glück“, sagte Krause.

Vielleicht sollten wir uns endlich um den Prinzen kümmern“, sagte ich, „langsam wird die ganze Sache zu gefährlich für Schneewittchen.“ Die anderen schwiegen. Auf dem Nachhauseweg blieb Sonntag mit mir zurück und sagte: „Es gibt da einen Jungen. Er heißt Hans. Man erzählt sich, dass er wirklich etwas versteht vom Glück.“ Ich sah ihn nachdenklich an. „Ist er ein Prinz?“ fragte ich und Sonntag lachte. „Was für dumme Fragen du stellst“, sagte er und dann sprachen wir nicht mehr darüber.

 Ich holte Erkundigungen ein. Von Prinzen hielt ich nicht viel. Sie waren einfältig und verwandelten sich in Frösche, sobald man sie küsste. Vielleicht musste man flexibler sein und nicht zu sehr auf das Althergebrachte beharren, aber handeln mussten wir doch.  

Am Wochenende gab ich vor, meine Großmutter zu besuchen. Ich brach früh auf, ich weiß nicht, warum ich ein Geheimnis daraus machte. Ich bin abergläubisch. Vielleicht war das der Grund. Und dann wollte ich keine Hoffnung wecken, um sie gleich wieder zu enttäuschen. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen. Erst würde ich Erkundigungen einholen, dann würde ich ihn suchen.  

Zuerst suchte ich seinen Lehrherren. Er wohnte nicht weit von uns entfernt. Er empfing mich freundlich. Er erinnerte sich noch gut an Hans.

Seine Frau brachte Tee. „Wie klein Sie sind“, sagte sie und kicherte. Aber sie kicherte freundlich und ich war es gewohnt.

Er konnte nicht schreiben“, sagte Hans Lehrherr, als seine Frau den Raum wieder verlassen hatte, „das dürfen Sie nicht vergessen. Und seine Mutter ja auch nicht, fügte er hinzu. So lange ohne ein Wort, ohne ein Zeichen voneinander. Und das Leben hier wie dort, war hart. Ich konnte verstehen, dass er gehen wollte, aber ich hätte ihn auch gerne behalten. Er war fleißig, bescheiden und gut.“

Ich bedankte mich und ging. Ich hatte schon eine ordentliche Strecke zurückgelegt, als mir auffiel, dass ich meine Zipfelmütze vergessen hatte. Da hörte ich jemanden nach mir rufen. Die Frau des Meisters lief mir hinterher. Als sie mich eingeholt hatte, lächelte sie auf eine unangenehme Art. Dann flüsterte sie mir zu: „Der Hans war immer ein zweifelhafter Geselle. Eine Zeitlang habe ich geglaubt, er bringt sich um. Diese aufgesetzt gute Laune war ja nicht lange aufrecht zu erhalten. Vielleicht war das der Grund, warum er ging.“

Dann drückte sie mir meine Mütze in die Hand und machte kehrt. 

Ich fragte mich, was es mit dem Gold auf sich hatte, das sie ihm gegeben hatten und ob die Frau Verbindungen pflegte zu Schneewittchens Mutter. Hinter den sieben Berge kennen alle einander.

So war es auch nicht schwer, den Reiter zu finden, der sein Pferd gegen den Klumpen Gold eingetauscht hatte. Er hatte inzwischen das vornehmste Haus am Ort. Er ließ mich warten, aber schließlich empfing er mich doch.

Er hatte diesen Klotz auf dem Kopf. Er hielt sich schon ganz schief. Es schien ihm Schwierigkeiten zu bereiten und sein Blick auf mein Pferd war so begehrlich. Etwas derartiges hatte ich noch niemals gesehen, dass jemand die alte Klappermähre auf diese Art ansah. Ich wollte sehen, was ich für ihn tun konnte. Ich war ganz arglos. Aber er fuhr mich an. Ob ich überhaupt wüsste von meinem Glück, mit diesem Pferd. Da bot ich es ihm zum Tausche an.

Der Bauer, der mein Pferd nun hat, ist recht zufrieden. Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich habe zu tun.“ 

Er hatte einen weiten Weg hinter sich. Das sah man ihm an“, sagte der Bauer. Ich traf ihn vor seinem Haus. Er saß auf der Bank und rauchte seine Pfeife. Er bat mich Platz zu nehmen und fing sofort zu berichten an. „Er tat mir leid“, sagte er, „dabei hätte eigentlich ich ihm leid tun müssen. Als ich das begriff, wurde ich wütend. Der Rest war ganz einfach. Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht.“ 

Den Schweinehirten hatte es einen ganzen Tag gekostet, die Kuh nach Hause zu treiben. Er wollte nicht daran erinnert werden, aber dann erzählte er doch:

Ich habe ihn einmal gesehen“, sagte er, dann dachte er nach und verbesserte sich: „Ich bin ihm begegnet. So wie man dem Glück begegnet. Er machte eine saure Miene, weil er es nicht verstand die Kuh zu melken. Dass so das Glück aussieht, habe ich erst später gedacht, als ich die Kuh nach Hause führte und er lustig pfeifend mit dem Schwein davonzog.“

Der Jüngling mit der Gans hatte von mir gehört. Er kam mir entgegen, ganz begierig darauf, seine Geschichte zu erzählen: „Ich war verliebt, wissen Sie, und dann kommt dieser Kerl daher, sorglos, jung und schön, im Einklang mit sich selbst, leicht wie die Gans, die ich unter dem Arm trug.“ 

Warum wollen Sie das wissen?“ Der Scherenschleifer war der erste der mich auf den Grund für meine Frage ansprach. Ich sagte: Ich muss sicher sein, dass er etwas vom Glück versteht. Der Scherenschleifer lachte. Dann müssen sie auch den Brunnen befragen, sagte er. Der Brunnen ist vielleicht derjenige, der am meisten weiß. 

Kann man Tiefe mit Erleuchtung verwechseln und einen Sarg mit einem goldenen Schuh? Kann man ein Ziel erreichen, wenn man es zu klar vor Augen sieht? Das waren die Fragen, die ich dem Brunnen stellte. Sie hatten nichts mit Hans zu tun. Nur mit meinem Verhältnis zur Zeit und zu dieser Geschichte, aus der ich nur den einen Ausweg sah. Ohnehin traute ich Brunnen keinerlei Aussagekraft zu. Ich war nur zum Brunnen gegangen, um mich auszuruhen und um einen Blick auf mein Spiegelbild zu werfen. Was ich dann sah, war ein Loch im Himmel und eine Stimme, die sprach: Ich bin der Wolf, die meisten halten mich irrtümlicherweise für den Brunnen. Ich bin tief, was nicht bedeutet, dass ich alles weiß. Je tiefer man sinkt, um so leichter fliehen die Gedanken. Aber ich sehe dir an, dass es nicht das ist, was du wissen willst.  

Er bringt allen Glück, dachte ich, das zeigt die Geschichte ganz klar. Ich war ein Zwerg. Ich betrachtete ein Gebirge als einen Block der Weisheit. Also machte ich mich auf den Weg, ihn zu suchen.  

Ich fand ihn schließlich auf einem Jahrmarkt. Einfältig lächelnd betrachtete er die Losverkäufer. Ich nannte ihm meinen Namen und trug ihm mein Anliegen vor. Sie sind unsere letzte Hoffnung sagte ich. Wenn Sie Schneewittchen nicht retten, ist sie verloren.

Warum ich?, fragte er und ich antwortete: Weil sie wirklich etwas vom Glück verstehen.

Er nickte und sagte: Ich bin nicht so dumm, wie viele glauben. Ich habe mir gedacht, die Steine, das sind gewiss die Steine aus dem Bauch vom Wolf. Wer weiß, was man damit noch anrichten kann. Also ließ ich sie zurück.

Also glaubst du an Märchen?, fragte ich ihn. Und er lachte mich an: Was glaubst du denn was wir sind, fragte er. Da hatte ich keine Zweifel mehr, ich nahm ihn bei der Hand und führte ihn direkt zu Schneewittchen.  

Als er vor dem Sarg stand, stellte er sich vor: Ich bin der Hans. Ich habe meine sieben Sachen genommen und habe mich auf den Weg gemacht. Als ich dann ankam, hatte ich die Hände voller Glück. Und alle fragten: Was hast du nur gemacht?

Ich hatte nicht gewusst, dass es ihnen so schwer erschien. Für mich war es immer ganz leicht.

Ich mag das Neue, das Neue auf dem Weg zum Althergebrachten. Letztendlich bin ich so gekommen, wie ich damals gegangen bin. In der Zwischenzeit ließen sieben Jahre einen Teil unseres Lebens zurück. Aber jetzt stehen wir hier voreinander, mit leeren Händen und nennen es Glück.

Sie schlug die Augen auf und lächelte. Wir gingen zurück ins Haus. Ich hatte gedacht, die Geschichte könnte so enden, aber am nächsten Morgen saß Hans allein mit uns am Tisch. 

Wärst du nicht so gierig gewesen, hatte er zu Schneewittchen gesagt, sondern auf meine Art dumm, hätte das Glück auch dich finden können. Dummheit nimmt das Schicksal nicht übel, solange man versteht sie klug anzuwenden.

Das Glück wartet auf uns, das Glück liegt in weiser Entfernung, auf einem Jahrmarkt und pfeift auf uns, sagte Hans zu Schneewittchen, und als er am nächsten Morgen erwachte, war der Platz neben ihm leer. Ich sehe was, was du nicht siehst, und das heißt Glück, flüsterte er, dann drehte er sich zur Seite und schlief weiter. 

Wo ist sie?“, fragte ich ihn und er lächelte. „Sie wird zu euch zurückkehren“, sagte er, „aber mich lasst nun weiterziehen.“

Aber so enden keine Märchen“, sagte ich, „die Märchen enden nicht mit einem Aufbruch.“

Die Märchen nicht“, antwortete Hans, „und auch nicht das Glück.“