Ende und Anfang

Ich verlasse diese Mütze und falte woanders weiter. Die Werbung mit der WordPress mein Blog hier verunstaltet hat mir mehr und mehr die Lust genommen, hier weiter zu schreiben. Darum habe ich dankbar das Angebot angenommen umzuziehen. Die Mützenfalterin gibt es fortan hier.

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Es geht alles über mich hinweg, über mich hinaus. Ich komme nicht hinterher. Ich bleibe zurück. Und da, wo ich zurückbleibe ist es einsam und dunkel. Ich höre die Geräusche der anderen. Aber ich verstehe sie nicht (mehr). Ich bilde mir ein, es gab eine Zeit, da habe ich sie verstanden. Erst mit dieser Einbildung ist die Erfahrung ausreichend schmerzhaft.

Ich ziehe mich also in mich zurück und finde dann nicht wieder heraus. Jedes Lebensjahr eine Kaubewegung. Und die Angst, zu schlucken.

Der rücken der worte in dessen Schatten wir stehen

Geht es denn immer und überall um Verlust? wie man ihn aufschiebt, wie eine mit ihm fertig wird, wie man ihn womöglich verwandeln kann in einen neuen Anfang? Der Abschluss als wunderbar gebogenes Fragezeichen. Der Abschluss als Wendung ins Ungewisse. Der Abschluss als Aufbruch? Letztendlich ist alles nur eine Frage der Blickrichtung, die wir austragen auf dem Rücken der Worte, in deren Schatten wir stehen.

Vater

Seltsamerweise habe ich die anderen Kinder nie beneidet, weil sie im Gegensatz zu mir, einen Vater hatten.

Ingrids Vater war Polizist. Es hat mich beeindruckt, ihn in seiner Uniform zu sehen. Der Vater von Anja, Andrea und Sabine war riesengroß (bestimmt über 2 m) und spindeldürr, hätte er nicht so ein hübsches Gesicht und volle schwarze Haare gehabt, hätte ich ihn mit einer Vogelscheuche vergleichen können. Dann war da noch Birgits Vater, der rot anlief und schrie, oder Heddas sehr alter Vater, und natürlich Sandras geheimnisvoller Vater, der Amerikaner war und einer mysteriösen Tätigkeit bei der NATO nachging. Oder der Vater meiner Cousinen, der sich irgendwann tot gesoffen hatte.

Es gab also diese Männer, die Väter genannt wurden in den unterschiedlichsten Ausführungen, aber das hatte nichts mit mir zu tun. Mit meinem Vater, an dessen Grab ich mit meiner Schultüte stand, der ein Jahr vor dieser Einschulung nicht mehr aus dem Krankenhaus nach Hause zurück gekommen war. Der meiner Mutter so sehr fehlte, dass sie die Lücke, die sein Tod gerissen hatte, mit Alkohol zu füllen versuchte. Dessen Stuhl noch lange unberührt und leer am Küchentisch gestanden hat.

Ich hatte ja auch einen Vater. Ebenso wie die anderen. Mein Vater konnte mich zwar nicht in den Arm nehmen, aber dafür machte er auch keine Fehler und hatte immer Verständnis für mich und das, was ich tat.

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Lichter, die andere Lichter abbilden. Zeit, die von anderer Zeit aufgesogen wird. Das Sinnliche verwandelt sich in das Übersinnliche. (oder ordnet sich das Sinnliche dem Übersinnlichen unter?) Mein kleiner blauer Hut, den jemand (ein Geist?) mit Mut bezog. Sich dann davon machte (der Hut, der Geist? Beide?) und mich hervorbrachte als Vorstellung von etwas, das ich so nie würde verwirklichen können.

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Alle schreiben Jahresrückblicke. Ich zucke mit den Schultern. Aber dann lese ich die Nachricht von T. Was gut war, schreibt er und ich merke, wie schlecht ich mich an dieses Jahr erinnern kann. Es ist als hätte eine andere es an meiner Stelle erlebt. Die Abifeier von P., der Schulwechsel von M., für mich das erste Mal der Rollenwechsel von der Teilnehmerin zur Leiterin bei einem Schreibworkshop, mein Entschluss jetzt noch einmal ein Studium zu beginnen, da war so viel Aufbruch. Und nichts davon ist übrig zum Ende des Jahres. All diese Ereignisse scheinen vor langer Zeit und nicht erst vor wenigen Monaten geschehen zu sein. Das Jahr hat mich müde gemacht. Oder vielleicht haben mich auch nur die letzten Wochen so müde gemacht. Ich kann das nicht mehr unterscheiden. Ich rufe mir noch einmal das schöne Projekt der Graugans ins Gedächtnis um ein wenig Zuversicht und Hoffnung zusammenzukratzen, um nicht völlig desillusioniert in das neue Jahr zu gehen. Ich wünsche euch was. Gesundheit und Hoffnung. Durchhaltevermögen und mehr Zuversicht als ich gerade aufbringen kann. Und ganz viel Liebe. Ohne stehen wir das nie durch.

Eine Entscheidung für etwas, ist immer auch eine Entscheidung gegen etwas anderes

Überall auf dem Rechner Dateien mit Namen wie Lyrikkritik, Poetik. Versuche, es richtig zu machen, das Handwerk zu lernen. Seit fast einem Jahrzehnt habe ich versucht Besprechungen zu schreiben, und je größer der Anspruch wurde, es „richtig“ zu machen, so wie die Rezensionen in den Feuilletons, um so mehr schwand die Begeisterung, die Leidenschaft, die Lust. Ende des Jahres gab Julietta das Ende von Fixpoetry bekannt. Eine Zeitlang habe ich weiter gemacht, es versucht, nach der alten Freude gesucht, wenn ich über Bücher schreibe. Sie tauchte nicht auf. Es war ein Kampf, es war Arbeit, nichts weiter als ziemlich anstrengende Arbeit. Vor einigen Wochen habe ich die Entscheidung getroffen, das es das war, mein Ausflug in die Welt des Feuilletons ist vorbei. Das ist schade, weil ich sehr schöne Momente erlebt habe, weil ich Bücher und Dichtung ganz anders erleben durfte, die Texte auf eine intensive Art durchdringen musste, um darüber zu schreiben. Das war ein großer Gewinn. Es gab schöne Momente, wenn eine Dichterin, ein Dichter sich verstanden fühlte, von dem, was ich geschrieben hatte. Es gab die Lyrikkritikseminare im Haus für Poesie in Berlin, es gab eine Begegnung mit Julietta und anderen auf der Buchmesse in Leipzig. Es ist mir schwer gefallen, diese Entscheidung zu treffen, aber ohne Leidenschaft geht es nicht. Wenn man sich selbst ausbeutet muss es wenigstens aus Leidenschaft, oder Freude, am besten aus beiden Beweggründen geschehen. Es ist schade, dass ich niemals einen Weg gefunden habe, Besprechungen auf meine Art zu schreiben, mich unabhängig zu machen, von den Vorgaben, die mir ja niemals irgendjemand gestellt hat, am allerwenigsten Julietta. Aber dennoch waren sie da, all die Jahre, und ich bin sie nie los geworden. Was ich losgeworden bin ist der Glaube daran, dass ich sie eines Tages erfüllen könnte, wenn ich wirklich will, wenn ich dafür und daran arbeite. Jetzt, nach all den Jahren, am Ende des Weges, sehe ich, dass mich dieses Ziel immer weiter weg gebracht hat von einem Weg, der mit mir zu tun hatte. Ich und die Literatur, die Gedichte und ich, das war eine große Liebe, eine überwältigende Leidenschaft, und wir hatten einander viel zu sagen, diese „fremde“ Stimme, die ich die Führung habe übernehmen lassen, hat uns voneinander entfernt. Es ist höchste Zeit, sich von dieser Stimme zu entfernen, um zurück zu kehren zu Überwältigung und Freude, zu Begeisterung und sprachloser Bewunderung.

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Mariannengraben von Jasmin Schreiber. Sehr angetan von der zarten eindringlichen Schilderung der Trauer. Enttäuscht über das für meinen Geschmack zu schnell einsetzende skurrile Geschehen. Gar nicht einmal die Begegnung mit dem alten Mann, aber die fast slappstickartigen Begebenheiten. Aber schön und tröstend, dass Tim, der verstorbene Bruder, immer dabei bleibt, kommentierend einbezogen, anwesend. Denn das ist vielleicht der größte Irrtum, dass die Toten plötzlich nicht mehr zum Leben dazu gehören. Nicht mehr da sind.