Nachdem ich eine Zeitlang viel zu viele Besprechungen in viel zu kurzer Zeit geschrieben habe, und dann tatsächlich so ausgelaugt war, dass das Lesen nur noch Arbeit war, folgte eine Zeit der unbewussten Totalverweigerung, ich las nur noch Bücher, die ich nicht besprechen musste und schob die Arbeit wochenlang vor mir her. Nachdem ich diese beiden Extreme nun überwunden habe, keimt die Hoffnung, ich werde möglicherweise in naher Zukunft ein gesundes Maß für mich finden.
Was bleibt sind die Zweifel, die immer wieder neu sich stellende Frage, was eigentlich die Aufgabe einer Besprechung ist, was sie leisten muss, was sie nicht leisten kann. Dazu hat Andreas Wolf auf Sichten und Ordnen kürzlich einen sehr lesenswerten Artikel geschrieben, in dem er die „Ränder der Texte“ preist, und im wesentlichen daran erinnert, dass es keine richtigen und falschen Auslegungen eines Textes gibt und, was für mich persönlich noch wichtiger ist, dass Literatur als Gespräch zu verstehen ist, jeder Text die Einladung zu einem Dialog darstellt. Dass man nicht mit jedem reden möchte, ist verständlich, aber eben nur eine persönliche Entscheidung, kein Urteil.