Lee Miller – Kriegsreporterin

Wie sehr sich in dieser Beziehung ihr eigenes Werk von denen anderer unterschied, konnte Lee Miller nicht nur in ihrer Zeit als Kriegsreporterin, die Akkreditierung erhielt sie 1942, beweisen. Die Herausgeberin der Vogue, Audrey Withers unterstützte Lee bei ihrem Vorhaben, den Krieg und seine Folgen zu dokumentieren.

Als Kriegsberichterstatterin zeichnete sich Lee Miller sowohl durch ihre ungewöhnliche Bildgestaltung als auch durch ihre unsentimentalen Kommentare zu den menschlichen Schicksalen aus. Immer wieder hat Lee Miller die bizarren Seiten des Krieges wahrgenommen und beschrieben: „Wir fuhren an Jeeps vorbei, die Müll transportierten und auf deren Kühlerhauben stapelweise Verwundete lagen, an Munitionslastern mit zynischen Aufschriften wie „Sudden Death“, „Amen“, oder „You’ve had it“.

Trotz schlechter Bedingungen (mangelhafte technische Ausrüstung, kein Belichtungsmesser, kein automatisches Rückspulen, nur 11 Fotos pro Film), lieferte Lee Miller stets ästhetisch komponierte Bilder, denen man ihre surrealistische Ausbildung anmerkte.

In jeden Film steckt ein Funken Poesie, der sich oft allein der Bewegung verdankt. Das kann die Art sein, wie sich ein Arm bewegt, ein Schatten fällt, oder etwas Staub zu Boden sinkt.“

Auch während des Krieges galt Millers Interesse hauptsächlich den Frauen (und ihren Kindern). So fotografierte sie eine Serie über Frauen in Männerberufen, dokumentierte die Lage der Frauen im von den Nazis besetzten Europa. Richard Calvocoressi bezeichnet Millers Porträt von Eva Braun als „klassische Darstellung der Banalität des Bösen im Reich Hitlers.“

Eines der beeindruckendsten Fotos von Miller aus der Kriegszeit, ist für mich, das der kahl geschorenen weiblichen Kollaborateure. Vielleicht weil es mich an eine Szene aus Hiroshima mon amour von Marguerite Duras erinnert. Miller selbst schrieb zu diesem Foto an Whiters: „In Rennes habe ich heute die Bestrafung weiblicher französischer Kollaborateure miterlebt – man hatte den Mädchen den Kopf geschoren.“

Mit einer Mauer aus Hass und Verachtung um mich herum fuhr ich durch Deutschland“, schrieb Miller in einer 1945 in der Vogue veröffentlichten Reportage.

Die Geschehnisse des Krieges als einzige (oder wenigstens als Erste) dokumentieren zu können, euphorisierte Miller und ließ sie ihre Angst eine Zeitlang vergessen. Häufig war Miller die einzige Kriegskorrespondentin. So z.B. bei der Belagerung von St. Malo, als zum ersten Mal Napalm eingesetzt wurde.

Im April 1945 schrieb sie an Whiters:

Ich mache in der Regel keine Aufnahmen (Kriegslager, Konzentrationslager) von diesen Dingen, da ich weiß, dass sie sie sowieso nicht veröffentlichen. Denken Sie aber deshalb nicht, dass es sie nicht in jeder Stadt und in jedem Gebiet massenhaft gäbe. Jede Gemeinde verfügt über ihre großen Konzentrationslager, einige davon in Form von Folter- und Vernichtungslagern.“

Lee Miller war eine der Ersten, die Dachau, nach Einnahme durch die 4. US -Division betrat.

Wir näherten uns dem Lager in einer kleinen Truppe mit Jeeps. Der Weg führte durch ein Waldstück, und das Erste, was uns auffiel, war, dass es keine Vögel oder Tiere gab. Es war ein schlechtes Zeichen, und die Jungs wurden nervös. Dann kamen wir an einigen toten SS-Offizieren vorbei. Man hatte sie wohl zu Tode geprügelt oder erdrosselt. Es war nicht normal, Menschen auf diese Weise zu töten – die Jungs reagierten unruhig. Dann erreichten wir den Drahtzaun. Dahinter waren unzählige Menschen in gestreifter Sträflingskleidung, die uns schweigend anstarrten. Wir konnten nicht verstehen, warum sie nicht reagierten, uns nicht entgegenkamen, waren uns aber sicher, dass dies das Lager sein musste, und suchten nach dem Eingang. Einer unserer Kumpel, der Wache stand, ließ uns hinein. Als die Gefangenen drinnen begriffen, dass wir Amerikaner waren, umringten sie unseren Jeep, hoben unsere Jungs auf die Schultern und rannten mit ihnen um das Lager herum. Sie waren so schwach und erschöpft, dass manche unter der Anstrengung wie tot umfielen, aber andere drängten hinterher und lösten sie ab. Erst nach lautstarken Ermahnungen und Drohungen kehrte wieder Ordnung ein.“ (Das Haus der Surrealisten. Der Freundeskreis um Lee Miller und Roland Penrose. Antony Penrose. Nicolaische Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 2002.)

You better believe it“, schrieb Miller an Whiters, als sie die Fotos aus den befreiten Konzentrationslagern schickte.

Eines der berühmtesten Fotos von Lee Miller hat ihr Partner Sherman gemacht, es handelt sich um das Foto von Lee in Hitlers Badewanne. Miller selbst schrieb dazu an Audrey Winters: „I was living in Hitler’s private apartment when his death was announced, midnight of Mayday … Well, alright, he was dead. He’d never really been alive to me until today. He’d been an evil-machine-monster all these years, until I visited the places he made famous, talked to people who knew him, dug into backstairs gossip and ate and slept in his house. He became less fabulous and therefore more terrible, along with a little evidence of his having some almost human habits; like an ape who embarrasses and humbles you with his gestures, mirroring yourself in caricature. “There, but for the Grace of God, walks I.”

Was Lee Millers Kriegsfotografien auszeichnet, ist vermutlich nicht so sehr eine moralische Frage, wahrscheinlich hat Miller zuerst das Bild, die Komposition gesehen, und sich erst dann, anschliessend, Gedanken über das, was sie gesehen und festgehalten hatte, gemacht.

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Bilderflut

Was ist ein Foto? Beziehungsweise was macht es mit dem Betrachter? Wie viele Informationen liegen wirklich in dem, was man sieht und wie viel Bedeutung bekommt ein Bild erst dadurch, dass es z.B. einen Titel trägt, dass man als Betrachter weiß, das Bild hat eine Frau gemacht, oder ein Mann?

„Die Bilderverehrer von Byzanz waren spitzfindige Leute, die vorgaben, Gott um seines Ruhmes willen darzustellen, die jedoch gerade dadurch, daß sie Gott in Bildern simulierten, das Problem seiner Existenz verschleierten. Von seinem Platz hinter jedem dieser Bilder war Gott nämlich verschwunden. Das Problem stellte sich also gar nicht mehr. Durch Simulation war es gelöst. Das gleiche tun wir mit dem Problem der Wahrheit oder der Realität dieser Welt: wir haben es durch technische Simulation gelöst und durch die Flut von Bildern, auf denen es nichts zu sehen gibt.“ (Jean Baudrillard, Das perfekte Verbrechen)

Je mehr wir sehen, um so weniger verstehen wir. Wir begraben die Realität unter einer Bilderflut. Wir sehen die Dinge doch, warum soll man da noch Fragen stellen. Das Bild erscheint uns als Aussage. Und zwar als eine, die nicht angezweifelt werden kann. Was sehen wir auf Dokumentarfotos? Was sehen wir, wenn wir sehen, wie jemand die Waffe auf einen anderen richtet? Ist das, was wir sehen, wirklich so eindeutig, wie es aussieht?

„Die Objektivität des Bildes ist nur eine Illusion. Die Kommentare, die man ihm mitgibt, können seine Bedeutung völlig verändern.“ (Gisèle Freund)

Bildagenturen bedienen sich der Fotografen zu ihren Zwecken, verfremden und interpretieren die Fotos nach ihren Bedürfnissen. „Um dieser Entmündigung zu entgehen, gründeten Robert Capa, David Seymour, Henri Cartier- Bresson, George Rodger, William Vandivert und Maria Eisner 1947 die Bildagentur der Fotografen Magnum. Sie teilten die tiefe Überzeugung, `dass die welt fotografiert werden muss um verstanden zu werden, dass das medium existiert um uns zu einem erneuten blick zu zwingen`(Michael Ignatieff, in Magnum), dass mit den Reportagebildern von Orten und Schicksalen aus aller Welt noch etwas zu bewegen sein könnte.“ (Boris von Brauchitsch Kleine Geschichte der Fotografie). Viele der Fotografen, die Magnum gegründet hatten, setzten für ihre Überzeugung ihr Leben aufs Spiel, reisten von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz, um aufzuklären, um die Welt an dem Unrecht, dem Leid anderer Menschen teilhaben zu lassen. Sie wollten nicht nur nicht die Augen verschließen, sondern aufzeigen. Haben sie etwas damit bewirkt, oder fing damit die Abstumpfung an, unter der wir heute leiden? Wie wichtig sind Fotos, Dokumente von Kriegen und Unrecht, das im Krieg geschieht und ab welchem Punkt bewirken sie das Gegenteil von dem, was sie bewirken wollen?

Während ich noch meine kleinen Gedanken sammle, ohne recht zu wissen, wohin ich mit all den Fragen will, lese ich folgenden Artikel drüben bei den Gleisbauarbeiten. Nur auf den ersten Blick eine andere Fragestellung, im Grunde aber eine, die sich von der anderen nicht trennen lässt. Was sehen wir, was sollen wir sehen und wie können wir sehen lernen?

Robert Lebeck

Grau. Wenn man sich Fotografien aus den deutschen Nachkriegsjahren anschaut, überfällt einen diese Farbe geradezu: Graue Mäntel, grauer Staub, graue Trümmer, graue Äcker, graue Häuser, ja, sogar die Menschen wirken irgendwie grau. Grauenvoll. Trümmerdeutschland war aber gar nicht so.

Ich hatte nach dem Krieg lange genug in den USA zugebracht, um die Gemütslage einer satten, siegreichen Nation kennenzulernen, die zu ahnen beginnt, daß ihre besten Zeiten vorbei sind. Genau umgekehrt war es in Deutschland. Dort herrschte eine Aufbauatmosphäre, ein „Hurra wir leben noch!“ und die euphorisierende Gewißheit, daß nun das Schlimmste überstanden war.“

Robert Lebeck

Frau entdeckt ihren Sohn – Robert Lebeck

Eve Arnold

Ich war arm, und ich wollte die Armut dokumentieren. Ich hatte ein Kind verloren und war besessen vom Thema Geburt. Ich interessierte mich für Politik und wollte wissen, was für Auswirkungen sie auf unser Leben hat. Ich bin eine Frau, und ich wollte mehr über Frauen wissen.

Eve Arnold

Die Retrospektive zu Eve Arnold läuft noch bis zum 3. Juni im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern in München.

Miron Zownir

Von Miron Zownir, den ich soeben dank Bersarin entdeckt habe, wird behauptet, er knüpfe dort an, wo Arbus aufgehört hat. Er selbst illustriert seinen künstlerischen Anspruch mit einem Zitat aus „Das Schloss“ von Franz Kafka.

„Hat man die Kraft die Dinge unaufhörlich, gewissermaßen ohne Augenschließen anzusehen, so sieht man vieles. Lässt man aber nur einmal nach und schließt die Augen, verläuft sich gleich alles ins Dunkel.“

Miron Zownir, New York