Ende und Anfang

Ich verlasse diese Mütze und falte woanders weiter. Die Werbung mit der WordPress mein Blog hier verunstaltet hat mir mehr und mehr die Lust genommen, hier weiter zu schreiben. Darum habe ich dankbar das Angebot angenommen umzuziehen. Die Mützenfalterin gibt es fortan hier.

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Salih Jamal – Blinder Spiegel

Diese Geschichte einer tragischen Liebe, erzählt von einem jungen Mann, der orientierungslos durchs Leben treibt und erst dann seinen Weg problemlos findet, als er direkt ins Unglück führt, enthält eine Triggerwarnung aufgrund von physischer Gewalt, die von einer narzisstischen Mutter ausgeht. Von dieser Mutter ist in Nebensätzen die Rede und das auch höchstens eine Seite lang. Wie überhaupt der Roman keiner seiner Figuren nahe kommt, weil er überläuft vor Adjektiven. Es wird behauptet und erzählt, und alles läuft folgerichtig, aber ohne mich jemals zu packen auf das tragische Ende zu.

Marie Gamillscheg – Aufruhr der Meerestiere

„Aufruhr der Meerestiere“ von Marie Gamillscheg gewinnt mich langsam, nur um mich nach einer kurzen begeisterten Phase, endgültig zu verlieren. Der Roman war auf der Longlist zum Buchpreis. Was ich damit sagen will, weiß ich auch nicht so genau. Vielleicht, dass er durchaus Anklang bei der Kritik gefunden hat. Zunächst mochte ich wie Gamillscheg Sprache und Erinnerung, Biologie und fehlende Nähe ineinander verwebt. Wie das Leuchten der Meerwalnuss die Luise, die Protagonistin des Romans, nicht nur erforscht, sondern in der sie all ihre Sehnsucht verkörpert zu sehen scheint, konterkariert wird durch all die Lampen und Leuchten in der väterlichen Wohnung, die das Gefühl einer allumfassenden Einsamkeit nicht erleuchten können. Denn auch darum geht es: um eine Vater – Tochter Geschichte, um den Versuch, oder jedenfalls die Hoffnung einer Wiederannäherung, die sich jedoch nicht einlöst. Überhaupt steht die Meerwalnuss mit ihrer Körperintelligenz und der Verschmelzung mit dem Schwarm, wie gesagt für eine unerfüllte Sehnsucht Luises, die unter ihrer Individualität leidet, unter ihrem Körper (Magersucht) und ihrer Haut (Neurodermitis). Diese Kombination ist klug und vielversprechend und über weite Strecken gelingt es Gamillscheg einleuchtend sie zu verbinden, das waren die Seiten, die ich wirklich gerne gelesen habe. Letztendlich geht es mir persönlich in diesem Roman jedoch um zu viel: um Feminismus, Sexismus, Klimakatastrophe, Mensch gegen Tier, Tierparks und ihre Doppelmoral, um alte weiße Männer und ihren Machtanspruch, um misslingende Beziehungen und die Schwierigkeit zur Frau zu werden. All diese Dinge gehören in der Geschichte von Luise zwar zusammen, aber die einzelnen Fäden lösen sich zunehmend aus dem Geflecht, spielen sich immer mehr aus dem Zusammenhang heraus.

Frauen. Literatur – Nicole Seifert

Letztes Jahr ist das Schreiben über Bücher viel zu kurz gekommen. Das war schade, denn ich habe zwar entschieden, nicht länger selbstausbeuterisch Rezensionen zu schreiben, aber festhalten, was ich gelesen habe, und diese Lektüren an Gedanken ausgelöst haben, darauf wollte und will ich eigentlich nicht verzichten. Darum werde ich ein kleines Lesetagebuch führen, in dem ich ganz unprofessionell meine ganz persönlichen Gedanken zu den Büchern, die ich gerade ausgelesen habe, festhalten will.

Den Anfang mache ich mit Nicole Seiferts Frauen.Literatur, ein Sachbuch, das so spannend war, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte.

Nicole Seifert nimmt sich die Zeit und macht sich die Mühe die Grundlagen, die Geschichte der strukturellen Bedingungen zu erklären, vor denen noch heute weibliches Schreiben abgewertet wird.

Weil es einen hauptsächlich männlichen Kanon gibt, ist die Geschichte, das Narrativ, vor dem Kritiker:innen urteilen und überhaupt erst wahrnehmen, durch einen männlichen Blick und vor allem eben auch durch männliche Themen geprägt. Andere Themen, andere Sichtweisen lassen sich vor diesem Hintergrund kaum einordnen. Eine Einordnung in die Geschichte weiblicher Literatur ist nicht möglich, weil die weibliche Literatur eben nicht kanonisiert und erhalten geblieben ist. Seifert zeigt wie das Motiv der „Verrückten auf dem Dachstuhl“ für die Abwertung weiblicher Autonomie sich durch die Jahrhunderte weiblichen Schreibens zieht, von Austen über Haushofer bis zu Simone Hirths „Das Loch“.

Ich habe viel gelernt über die Grundlagen der Auslese weiblicher Literatur, aber auch über die Grundlagen der Literaturkritik an sich.

Enttäuschung

Ich laufe die Treppe hinauf und herunter, verlege Dinge und finde sie wieder. Ich renne wie ein Hamster in seinem Rad. Ich renne mich besinnungslos. Und dann liege ich erschöpft auf dem Sofa und beklage meine Erschöpfung, die keinen Ursprung hat und keine Ursache, und schon gar nichts, was ich vorweisen könnte. Seht her, das ist entstanden aus der Erschöpfung. Denn nichts ist entstanden aus der Erschöpfung, außer meinem erschöpften Ich.

Schummeln

Natürlich schummle ich. Ich schummle aus Einsamkeit. Wer einsam ist, hat es besonders nötig, alles richtig zu machen, gut und anerkennenswert. Das geht nicht, ohne zu schummeln. Das Schummeln ist keine Ausrede sondern eine Bedingung. Manchmal ist es gut, die Dinge hinzuschreiben. Denn kaum steht da dieser Satz von Ausrede und Bedingung, entsteht ein neuer Gedanke. Was, wenn die Anforderung, das Ziel verkehrt ist? Vielleicht beginnt das wahre Schummeln hier? Darin, dass ich mir die falschen Ziele gesetzt habe? Ich könnte aufrichtig sein und mich anfreunden mit meiner Einsamkeit, wenn ich sie als etwas anerkenne, das zu mir gehört. Mich ausmacht.

100 Worte. 100 Tage. Tag 100

„eine frau sitzt vor einer leinwand. Ihre haare sind schwarz.“

eva maria leuenberger. Kyung.

Schwarz wie Ebenholz, rot wie Blut, weiß wie Schnee. Unbefleckt wie eine Leinwand. Und ebenso einladend. Alles kann man hineinschreiben in ihr Gesicht. Dann stellt sie sich gegen den Wind, der lässt ihre Haare wie einen Vorhang vor ihr Gesicht fallen und alle Einschreibungen sind ausgelöscht. Ihr Gesicht ist wieder rein. Unbeschrieben. Und alles beginnt von vorn. Ein Leben lang erst die Märchen, dazwischen der Schnee, zum Schluss das Blut. Das sind weniger als 100 Worte. Aber sie sind zu schwer. Und erschöpfen mich. Eine Frau sitzt vor einem Blatt Papier. Ihre Haare waren einmal schwarz. Das Blatt bleibt weiß.

100 Worte. 100 Tage. Tag 99

„Wenn die Hoffnung derart zerschmettert war, zog sich meine Mutter mit heftigen und gereizten Bewegungen an, als wäre jedes Kleidungsstück eine Beleidigung für sie.“

Tove Ditlevsen. Kindheit

Nackt wie ein Staunen gehe ich aus der Tür. Draußen weht leichter Wind, der Mond zieht sich hinter Wolkenschleier zurück, als wäre es ihm peinlich, mich so unbedeckt zu sehen, als würde er sich für mich hinter Bergen von Wolken verstecken. Dann werden die Wolken zu meinen Kleidern. Es ist nicht wichtig, ob sie wärmen, ob sie sich angenehm anfühlen auf der Haut oder nicht. Wichtig ist, dass ich etwas über die Haut lege, etwas, das wie eine Beleidigung auf der unversehrt dünnen Hülle liegt. Etwas, das die Hoffnung bedeckt, die Welt könnte uns sehen wollen, wie wir wirklich sind.