Letztes Jahr ist das Schreiben über Bücher viel zu kurz gekommen. Das war schade, denn ich habe zwar entschieden, nicht länger selbstausbeuterisch Rezensionen zu schreiben, aber festhalten, was ich gelesen habe, und diese Lektüren an Gedanken ausgelöst haben, darauf wollte und will ich eigentlich nicht verzichten. Darum werde ich ein kleines Lesetagebuch führen, in dem ich ganz unprofessionell meine ganz persönlichen Gedanken zu den Büchern, die ich gerade ausgelesen habe, festhalten will.
Den Anfang mache ich mit Nicole Seiferts Frauen.Literatur, ein Sachbuch, das so spannend war, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte.
Nicole Seifert nimmt sich die Zeit und macht sich die Mühe die Grundlagen, die Geschichte der strukturellen Bedingungen zu erklären, vor denen noch heute weibliches Schreiben abgewertet wird.
Weil es einen hauptsächlich männlichen Kanon gibt, ist die Geschichte, das Narrativ, vor dem Kritiker:innen urteilen und überhaupt erst wahrnehmen, durch einen männlichen Blick und vor allem eben auch durch männliche Themen geprägt. Andere Themen, andere Sichtweisen lassen sich vor diesem Hintergrund kaum einordnen. Eine Einordnung in die Geschichte weiblicher Literatur ist nicht möglich, weil die weibliche Literatur eben nicht kanonisiert und erhalten geblieben ist. Seifert zeigt wie das Motiv der „Verrückten auf dem Dachstuhl“ für die Abwertung weiblicher Autonomie sich durch die Jahrhunderte weiblichen Schreibens zieht, von Austen über Haushofer bis zu Simone Hirths „Das Loch“.
Ich habe viel gelernt über die Grundlagen der Auslese weiblicher Literatur, aber auch über die Grundlagen der Literaturkritik an sich.