Manifeste der Merkwürdigkeit

 

Ich bin einer dieser merkwürdigen Menschen, die nebenberuflich Gedichte besprechen, über die sich Björn Kuhligk in seinem Beitrag zu „Manifeste für eine Literatur der Zukunft“ wundert.

Dabei weiß ich so wenig wie er, was ein Gedicht ist.

Merkwürdigerweise halte ich genau dieses Nichtwissen für eine Grundbedingung, um über Gedichte zu schreiben.

Ich schreibe, um etwas herauszufinden, nicht um ein Wissen oder irgendwelche Wertmaßstäbe abzugleichen an Lyrikbänden oder Romanen. Außer vielleicht diese Haltung, also die Frage, ob derjenige der schreibt, aus eben diesem Grund schreibt. Denn das ist ganz sicher eines meiner größten und am tiefsten verankerten Vorurteile, dass sich Literatur nur lohnt, wenn sie aus einer Neugier heraus entsteht, aus dem Wunsch, etwas herauszufinden, zu verstehen.

Für mich ist Literatur ein Dialog, und wie gut dieser Dialog gelingt, hängt immer von zwei Seiten ab, von dem, was geschrieben wurde und von dem, der es liest. Ich versuche nicht mehr, aber auch nicht weniger, als meinen Teil zu einem gelingenden Dialog beizutragen. Dafür muss ich nicht wissen, was oder wer der jeweils andere ist, ich muss nur verstehen wollen, was der Text mir sagen will und warum das funktioniert, oder auch nicht.

P.S.: Gerade habe ich meinen Fehler bei der Widergabe des Titel´s der Neuen Rundschau Ausgabe bemerkt und korrigiert. Ich hatte geschrieben: Manifeste für eine Zukunft der Literatur, vermutlich weil mir das besser gefallen hätte, es die Beiträge, die mich am meisten ansprechen, handeln genau davon. 

 

 

 

 

12 Gedanken zu “Manifeste der Merkwürdigkeit

  1. Das hast Du gut gesagt, und ich mag auch, wie Du Dich über Geschriebenes äußerst. In meiner Studienzeit und eigentlich auch heute noch geht mir manches Kunstgeschichtsgelaber total auf die Nerven- Mietmäuler knurre ich dann in meinen Bart.

  2. Du sprichst ziemlich genau das aus, was ich ebenfalls denke: Dass Schreiben ein Dialog ist. Und Lesen genauso. Und über den Text treten wir in den Dialog. Nicht der Autor mit dem Leser oder umgekehrt, sondern Autor als auch Leser mit den „Dingen“. Den eigentlich unaussprechlichen, denen wir uns anzunähern versuchen, im Schreiben wie im Lesen. Tastend, fragend. Nicht wissend und behauptend.
    Nur dem Satzteil „ich muss nur verstehen wollen, was er [der Autor?] mir sagen will und warum das funktioniert, oder auch nicht“ kann ich für mich nicht zustimmen (falls ich ihn richtig interpretiere). Ich finde es nicht wichtig zu wissen oder herauszufinden, was der Autor mir sagen will, sondern was der Text (mir) sagt. Das kann (muss aber nicht) ein Unterschied sein.
    (An meiner komplizierten, mit vielen Klammern durchsetzten Ausdrucksweise merke ich, wie sehr ich selbst noch unterwegs bin im Nachdenken über dieses Thema, weit entfernt von einem Angekommensein oder gar der Möglichkeit, ein Manifest darüber zu verfassen. :-))

    1. Nur um das Missverständnis auszuräumen; mit „er“ ist der Text gemeint, ich muss das dann wohl sauberer formulieren, damit es klarer wird. Danke für den Hinweis. Zum Rest später mehr.

      1. Was du schreibst, von der Annäherung an den eigentlichen (unaussprechlichen) Text, erinnert mich an Günther Eich, der Dichtung als Annäherung an den Urtext, der allem zugrunde liegt, beschrieben hat. Und genau darum geht es mir, das im Hinterkopf zu behalten, erstens, dass wir wirklich an einem großen gemeinsamen Projekt arbeiten, wenn wir von Sprache und Literatur reden, dass es nicht um Ausschluss und Ranglisten geht, und dann, (das schließt daran an, oder ist Bedingung und/oder Konsequenz aus diesem Gedanken), dass es nicht um Personen geht, sondern um Texte, Worte, Gedichte, Sprach- und damit Möglichkeitsräume.
        Ich persönlich ziehe Dialoge (gerade tastende und suchende) jedem Manifest vor.

  3. „Ich schreibe, um etwas herauszufinden“, das ist eine guter Grundsatz, denn Lesen/Schreiben hat ja doch viel mit Wissenschaft und mit Wissensaneignung zu tun. Gedichte dürfen aber schon auch Wissen voraussetzen, selbst wenn sie auf einer Ebene zugänglich und sinnlich erfahrbar sind. Darin sehe ich das eigentliche Kunststück: im Gedicht verschiedene Ebnen anzubieten und neugierig zu machen, auf das komplexere Wissen, das dahinter steht. / Anmerk: Kollege Björn wird übrigens mit einem k am Ende geschrieben.

    1. Danke! Den falschen Buchstaben habe ich ausgetauscht.
      Wissen ist ja nichts, das Neugier ausschließt, sondern eher eine Grundbedingung dafür. Das mag paradox klingen, ich glaube trotzdem, dass es so ist. Es klingt nämlich nur so lange paradox, wie man Wissen und Neugier, Suche und ein gewisses Handwerkszeug als entgegengesetzte Dinge betrachtet. Ich glaube aber vielmehr, je mehr man weiß (zu wissen glaubt), je mehr Kenntnis man von einer Sache hat, um so mehr Fragen ergeben sich, um so fruchtbarer kann sich Neugier entwickeln. Und dass jemand Kenntnis davon hat, was ein Metrum ist, und zwischen Trochäus und Anapäst unterscheiden kann, heißt noch lange nicht, dass er weiß, was ein Gedicht ist. Weil das vielleicht am ehesten das Gegenteil von Wissen ist; eine Behauptung aufzustellen, die alles erklärt und luftdicht abschließt.

  4. mit den WORTen der lieben IRIS schließe ich mich an ein wahrlich GUTER TEXT…..wenn der LESER zwischen den ZEILen lesen kann….HERZlichst ANDREA:))Liebe IRIS dann mußt du mal meine SchreibWEISE kennen lernen ich habe auch manchesmal KLAMMERN und so wieter und so fort das macht mich so lebeendig im SCHREIBEN

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