Über den Tod

Angst

 

Als sehr junge Frau, schreibt Sabine Schiffner, habe sie den Tod viel stärker gefürchtet als jetzt. Vielleicht weil ich so alt bin wie sie, verstehe ich dieses scheinbare Paradox, dass sich der Abstand vom Tod zwangsläufig verringert und doch statt der Angst die Gelassenheit wächst.

Vielleicht weil die Angst vor den Schmerzen geringer geworden ist, seit ich bei der Geburt meiner Söhne erlebt habe, wie am Ende des Schmerzes eine wundervolle Verwandlung stehen kann. Oder ganz profan, weil ich an die Palliativmedizin glaube, an die Möglichkeit die Schmerzen, die den Tod begleiten, zu lindern.

Vielleicht ist unser Leben auch ein Gefäß, und eine gewisse Fülle schenkt in manchen Bereichen Gelassenheit. Begrenzung wird nicht mehr (nur) als Gefahr, als Bedrohung und Einschränkung wahrgenommen, sondern als etwas, das eine notwendige Form verleiht, und damit auch Halt gibt. Die Beruhigung, die im Gedanken liegt, dass wir endlich sind. Gleichzeitig die Unmöglichkeit, sich diese Begrenzung vorzustellen.

Die Welt ohne mich.

 

Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir Gedanken über den Tod mache. Tod und Sterben begleiten mich von frühester Kindheit an. Es ist auch nicht das erste Mal, dass ich darüber schreibe.

Vielleicht lässt der Tod mich nicht los, oder aber ich bin es, die den Tod nicht loslässt. Weit davon entfernt, eine Obsession für den Tod zu haben, aber auch nicht länger eine übergroße Scheu.

Wobei ein großer Unterschied besteht zwischen dem Gedanken zu meinem eigenen Tod und dem Tod derer, die ich überleben muss.

11 Gedanken zu “Über den Tod

  1. Sehr schön, sehr tröstlich formuliert!
    Ich selbst erschrecke vor dem „Tod“ und dem „Sterben“ immer öfter, je älter ich werde. Nur durch eine weltzugewandte Hingabe kann ich mein „Erschrecken“ aushalten.
    Die christliche Erlösungsbotschaft durch die Liebe?

    1. Das stimmt. Es ist tatsächlich eher ein Erschrecken, als Angst oder Furcht, was ich in jüngeren Jahren so häufig erlebt habe, wenn mir wieder einmal klar wurde, dass ich sterblich bin, und was jetzt sehr an Intensität verloren hat.
      Hingabe und Liebe sind wohl immer die eam einfachsten klingenden und am schwersten zu realisierenden Lösungsansätze für nahezu alle Probleme der Menschheit und Menschlichkeit.

  2. Für mich ist der Tod schlicht das, was noch kommt. Mehr kann ich darüber nicht sagen. (Du bringst es durch deinen Satz „Die Welt ohne mich“ so herrlich paradox auf den Punkt 🙂 Angst macht das Leben im Angesicht des Todes – des eigenen, und des fremden. Und das Gefühl, dass er vielleicht näher kommt. Die Vorstellung von unserem Leben als einem Gefäß ist ein schönes Bild. Medizin. Ich nehme sie, und hoffentlich hilft’s 😉 Als Kind habe ich den plötzlichen Unfalltod in nächster Nähe erlebt. Seitdem geht ein Riss durch mein Leben. Und das Gefühl, dass mich dieser Riss am Ende verschlucken wird.

    1. Das hat Pessoa auch so formuliert: das Leben als Arznei, die jeden Tag eingenommen wird. Und dass diese Arznei nur eine Zeitlang helfen kann, weil der „Riss uns am Ende verschluckt“.

  3. das ist wieder so ein text von dir, der mich zugleich sprachlos macht und ganz viele gedanken und antworten und modelle in mir entstehen lässt. es ist ein thema, dass mich nicht loslässt.
    ich kenne diese von dir beschriebenen gedanken sehr gut, so oder ähnlich.
    danke, dass du es so dicht auf den punkt bringst!

  4. Mir gefällt, was und wie Du hier über den Tod schreibst. Und auch mir geht es ähnlich wie Dir, Soso und derdilettant: die Gedanken an den Tod sind mir überhaupt nicht fremd, das Gegenteil ist der Fall. Schon als Kind und Jugendliche spielte der Tod eine gedankliche und emotionale Rolle für mich. Angst vor dem Tod kannte ich als Kind nicht, und als Jugendliche hatte er verlockende Nuancen (was vermutlich auch der Pubertät geschuldet sein mochte). Und auch jetzt empfinde ich kaum Furcht vor dem Tod, aber eine deutliche hinsichtlich des Sterbens und dem Verlauf des eigenen Sterbens: und hier mag eine Rolle spielen, dass ich eben keine Kinder habe. Ich weiß nicht, wer mir beim Sterben einmal beistehen kann oder wird. Vielleicht weiß man das auch nicht, wenn man Mutter oder Vater ist, aber es gibt die Möglichkeit, darauf hoffen zu können.
    Danke für Deinen feinen Text, der mich direkt berührt hat und mich in so viele andere Richtungen (nach)denken lässt,

    herzlich mb, und feine Grüße von dm

    1. Vielen Dank für die aufmerksame und feine Unterscheidung zwischen Tod und Sterben. Die ja eine sehr bedeutsame Unterscheidung ist. Obwohl ich nicht entscheiden kann, wovor ich mehr Angst empfinde. Jedenfalls ist es wohl die Angst vor dem STerben, die ich (vermeintlich) gut bändigen kann, mit dem Glauben an Palliativmedizin und, wie Du sehr richtig schreibst, der Hoffnung, dass jemand da sein wird, der meine Hand hält.

  5. Ich danke euch vielmals für eure zahl- und aufschlussreichen Reaktionen, auf die ich jetzt noch nicht näher eingehen werde, weil die Reihe Über den Tod noch nicht abgeschlossen ist, es folgen noch zwei Teile. Bis dahin also erstmal nur herzlichen Dank für eure Kommentare.

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