Eine Entscheidung für etwas, ist immer auch eine Entscheidung gegen etwas anderes

Überall auf dem Rechner Dateien mit Namen wie Lyrikkritik, Poetik. Versuche, es richtig zu machen, das Handwerk zu lernen. Seit fast einem Jahrzehnt habe ich versucht Besprechungen zu schreiben, und je größer der Anspruch wurde, es „richtig“ zu machen, so wie die Rezensionen in den Feuilletons, um so mehr schwand die Begeisterung, die Leidenschaft, die Lust. Ende des Jahres gab Julietta das Ende von Fixpoetry bekannt. Eine Zeitlang habe ich weiter gemacht, es versucht, nach der alten Freude gesucht, wenn ich über Bücher schreibe. Sie tauchte nicht auf. Es war ein Kampf, es war Arbeit, nichts weiter als ziemlich anstrengende Arbeit. Vor einigen Wochen habe ich die Entscheidung getroffen, das es das war, mein Ausflug in die Welt des Feuilletons ist vorbei. Das ist schade, weil ich sehr schöne Momente erlebt habe, weil ich Bücher und Dichtung ganz anders erleben durfte, die Texte auf eine intensive Art durchdringen musste, um darüber zu schreiben. Das war ein großer Gewinn. Es gab schöne Momente, wenn eine Dichterin, ein Dichter sich verstanden fühlte, von dem, was ich geschrieben hatte. Es gab die Lyrikkritikseminare im Haus für Poesie in Berlin, es gab eine Begegnung mit Julietta und anderen auf der Buchmesse in Leipzig. Es ist mir schwer gefallen, diese Entscheidung zu treffen, aber ohne Leidenschaft geht es nicht. Wenn man sich selbst ausbeutet muss es wenigstens aus Leidenschaft, oder Freude, am besten aus beiden Beweggründen geschehen. Es ist schade, dass ich niemals einen Weg gefunden habe, Besprechungen auf meine Art zu schreiben, mich unabhängig zu machen, von den Vorgaben, die mir ja niemals irgendjemand gestellt hat, am allerwenigsten Julietta. Aber dennoch waren sie da, all die Jahre, und ich bin sie nie los geworden. Was ich losgeworden bin ist der Glaube daran, dass ich sie eines Tages erfüllen könnte, wenn ich wirklich will, wenn ich dafür und daran arbeite. Jetzt, nach all den Jahren, am Ende des Weges, sehe ich, dass mich dieses Ziel immer weiter weg gebracht hat von einem Weg, der mit mir zu tun hatte. Ich und die Literatur, die Gedichte und ich, das war eine große Liebe, eine überwältigende Leidenschaft, und wir hatten einander viel zu sagen, diese „fremde“ Stimme, die ich die Führung habe übernehmen lassen, hat uns voneinander entfernt. Es ist höchste Zeit, sich von dieser Stimme zu entfernen, um zurück zu kehren zu Überwältigung und Freude, zu Begeisterung und sprachloser Bewunderung.

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Dag Solstad

Ein Buch, das mich über die Maßen erstaunt hat, weil es wirklich noch ein Mal eine ganz andere Art zu schreiben offenbarte, war 16.07.1941 von Dag Solstad. Einem norwegischen Autor, den ich bis zu dieser dank Ina Kronenbergers Übersetzungsleistung, nicht kannte. Eine echte Entdeckung. Eigentlich hatte ich das Buch für Fixpoetry besprechen wollen, nun ist es in unserem OWL Kulturportal entschieden.

8. März

Vor einer Woche sind wir gestartet, und ich habe einige Erfahrungen gemacht. Mit technischen Schwierigkeiten gekämpft, Veranstaltungen besucht, über die ich dann doch nicht geschrieben habe, andere über die ich geschrieben habe. Und viel gelesen. Natürlich lese ich immer viel. Aber ich habe ein wenig anders gelesen, immer mit so einer Art Seitenblick; wie gehen die Kolleg*innen an ein Thema heran, wie machen die das? Bei aller Unsicherheit, die ja auch darum stärker wird, weil es so eine ungeheure Menge an Informationen gibt, dass man zu jedem einzelnen Artikel noch so viel mehr recherchieren könnte, als man es tut, habe ich etwas wichtiges und schönes gelernt: ich darf noch viel freier werden beim Schreiben, ich darf mich etwas trauen, ich muss nicht alles abdecken, sondern darf mich auf das konzentrieren, was mich wirklich angesprochen hat. Ich bin ja nicht allein.

Und heute, zum Weltfrauentag, möchte ich auf den schönen Leuchtturm Text von Simone Schabert drüben bei Fixpoetry aufmerksam machen. Trotz allem, allem zum Trotz dürfen und können wir nicht aufhören den Mut anderer zu bewundern und ihn daraufhin bei uns selbst zu finden, und ihn dann einzusetzen für Menschenrechte und Pazifismus. Für Solidarität.

Es soll Sterne regnen

Tatsächlich wäre ohne Fixpoetry, ohne diese sich ständig weiterentwickelnde, immer wieder kritisch und bei aller Kritik begeistert und engagiert und sowohl der Literatur als auch denen, die sie machen,  zugewandten Seite einiges anders verlaufen in meinem Leben. Ich selbst hätte mir niemals zugetraut Besprechungen zu schreiben, aber Julietta Fix hat mir diese Chance gegeben und jetzt schreibe ich seit vielen Jahren mit nicht nachlassender Begeisterung.

Aber Fixpoetry ist so viel mehr. Wen habe ich nicht alles entdeckt dank dieses Ortes, der offen ist für alles und die Augen öffnet für all das, was es auch noch gibt in der großen und zunehmend unübersichtlichen literarischen Welt.

Ich möchte mir nicht vorstellen müssen, wie diese Plattform verschwindet, ich möchte vielmehr sehen, wie die Entwicklung weitergeht. Am liebsten sehen, wie die Entwicklung weitergehen könnte, wenn die Sorge um finanzielle Unterstützung wegfallen würde.

Wenn jeder von uns, der hier liest und von der unermüdlichen Arbeit Juliettas und ihres Teams profitiert, wenigstens ein Sternchen  spenden  würde, und ich wage zu behaupten, dass jeder das finanziell stemmen kann, dann hätte Fixpoetry nicht nur die Lippenbekenntnisse und Leserinnenzahlen als Rückhalt, sondern wenigstens ein wenig Geld, um sich auf das konzentrieren zu können, was diesen Ort so wertvoll macht: unabhängig und neugierig über Literatur zu reden.

Ich bin ab heute ein Stern. Bitte macht mit!

Zur Notwendigkeit eines reinen Frauenpreises

Literaturzeitschriften, Literaturpreise, Kritikerstimmen, überall dominieren Männer. Selbst in der neu gegründeten Lyrikkritik Akademie gibt es mehr männliche Dozenten als weibliche, die Grundlagentexte, die bislang behandelt wurden: Männer, die über Männer reden. Ganz klar: wir haben es mit einem strukturellen Problem zu tun.

Genau deshalb brauchen wir so etwas wie den von Fixpoetry ausgeschriebenen Gertrud Kolmar Preis. Um neue Strukturen zu schaffen. Einen großen Dank an Julietta Fix für ihren unermüdlichen Einsatz neue Räume und Strukturen zu schaffen, um das Reden über Literatur noch reichhaltiger und weiter zu machen.