„Wenn wir Angst vor Wörtern haben, wie sollen wir den Mut finden zu eigenen Gedanken?“, schließt Angelika Overath heute in der FAZ ihre Überlegungen dazu, was Sprache, was bestimmte Begriffe mit Diskriminierung zu tun haben. Ein sehr komplexes Thema, zu dem ich schon lange etwas schreiben will, und das tun sollte, gerade weil ich überhaupt nicht weiß, was richtig und was falsch ist. Und weil ich glaube, dass das eine angemessene Haltung ist; Fehler zu machen, Unsicherheit zu spüren, und trotzdem zu sprechen, falsch zu liegen und sich zu entschuldigen, seine Meinung zu bilden und zu überdenken. Eine Haltung zu suchen, die aufmerksam bleibt, mitfühlend und mutig. Sich angreifbar machen, ohne sich gleich angegriffen zu fühlen.
Begriffe
Das neutrale Blau des Himmels (Wallace Stevens)
Ein Austritt aus dem „neutralen Blau“ des Himmels, der arm und reich nicht kennt, noch gut und schlecht. Keine Freude. Mitleidlos, unterscheidungslos. Ein Käfig voller Blau, in dem ich mich gefangen hielt. Jeder Buchstabe ein Gitter, an dem sich die Gefühle wundstießen, mit ihrer Sehnsucht nach Begriffslosigkeit.
Dieser Tag
Die Entfernung einer vertrauten Betrachtung
Da fließt die Hoffnung
(so ein bedächtiger Fluss)
die trägen einsilbigen Worte
der wiederholte Versuch
eigenmächtig die Sonne zu blenden
damit der Moment die Schatten verschluckt
das Fortdauern der Verständnislosigkeit
der leise Verrat der Begriffe
die Bedenkenlosigkeit eines traumlosen Glücks
die Oberfläche die sich auf die Bedeutung legt
so gerissen belanglos
wie dieser Tag
(44)
Begriffe, das Belegen mit Namen. Wie dieser Vorgang Erkenntnis überhaupt erst ermöglicht, und wie es sie gleichzeitig verhindern kann, oder wie Elke Erb es auf den Punkt bringt:
„Wie ein Kennen nicht zu einem Nennen verhilft.
Kann ein Nennen gewiß einem Erkennen im Weg sein.“
Das Rudern
Das war der schlimmste Moment, hat sie gesagt, als alles still stand, die Farben nur noch fest gelegte Begriffe waren, nichts, was man betreten konnte. Als sie die Zeilen las und nur noch Buchstabenreihen sah. Als das Meer nichts weiter war, als eine Ansammlung von Wasser.
Da wusste sie, das Rudern hatte aufgehört.
Ausatmen
Ein und aus. Neu und verbraucht. Kohlendioxid und Sauerstoff. Es war einmal eine Geschichte, die fand zu keinem guten Ende. Die endete mit einem letzten Hauch.
Es atmet mich. Wie viele Dinge so gehen und fließen, durch mich hindurch und ich bin kaum beteiligt daran und gerade auf diese Art und Weise grenze ich sie ein, grenze sie ein durch meine Nichtbeteiligung. Grenze sie ein durch ihre Grenzenlosigkeit mit der sie sich vom Erkennen entfernen, wie die Brandung, die Wellen, der Mond. Nur Worte, Begriffe, Hohngelächter, Aufzählungen. Wie ich mich eingrenze, abgrenze, ausgrenze, klein grenze, weil ich dem Leben den großen, leuchtend echten, Atemzug abtrotzen will, statt ihn zu tun. Einatmen.
Aus.
Acht mal eins
Eine Bewegung, die in der Beschleunigung zur Ruhe kommt.
Das ist paradox.
Also lebendig.
Eine Gleichung, bestehend aus den unterschiedlichsten Variablen, die alle zu einem identisches Ergebnis führen.
Berechenbar, aber nicht zu fassen.
Wir leben mit dem Bewusstsein der Fassungslosigkeit.
An die Stelle der staunenden Fassungslosigkeit setzen wir Berechnungen, Fragestellungen, die wir für lösbar halten.
Eitle Begriffe, denen wir Glauben schenken, weil sie die Wirklichkeit von uns fernhalten.
Zu sprechen wie ein Gebet zur richtigen Stunde
Auf den Gemeinplätzen trifft man sich
Um einander die Pläne zu stutzen
Und Worte auszutauschen
Die das Leben in ein Kassengestell einfassen
Die vom Einklang der Welt erzählen
Mit dem Singsang kommunistischer Freudlosigkeit
Dort glaubt man an die Gültigkeit von Begriffen
Die die Sehnsucht mit Schuhen versehen
In denen sie tanzen kann
Aber niemals laufen lernt
Zu den aufgebahrten Worten
Zu sprechen wie ein Gebet
Zur richtigen Stunde
Begriffen
Wir nehmen uns so ernst
wir denken, dass ist wie in den Arm nehmen
aber es ist nur wie Festhalten
(Lachen können wir nicht)
Wir schreiben das Wort Humor
wir schreiben Trauer
wir beweisen unsere Begriffe
Sie laufen uns davon
Wir fragen nach uns
die leeren Griffe in der Hand
kämpfen wir um Positionen
Die Begriffe schütteln sich
andere lächeln
(manche haben Humor)
dann machen sie sich
auf einen Gang ins Gebirge
setzen sich einen Hut auf
und geniessen die klare Aussicht
ganz ohne uns.