Wahrheit

Die Suche (das Bohren) nach Wahrheit hielt mich am leben. Das Geheimnis meiner Angst. Was ist das für ein Geheimnis seit der Kindheit? Es hat mit Feindseligkeit zu tun – etwas stimmt mit mir nicht.

(Louise Bourgeois)

Entstehung eines Kunstwerks

1950 fand eine mehrtägige Podiumsdiskussion unter der Leitung von Robert Motherwell statt. Louise Bourgeois war dabei und stellte u.a. folgende Fragen zur Entstehung eines Kunstwerks:

Definition des Begriffs „Entstehung“ – Entstehungsprozess. Ist es der Prozess des passiven Geborenwerdens oder ein Prozess des Gebärens?

Was bewirkt,dass ein Kunstwerk geboren wird? Was ist der ursprüngliche Impuls? Was treibt den Künstler zur Arbeit? Die Flucht vor der Depression (um eine Leere auszufüllen)? Die Wiedergabe von Vertrauen oder Vergnügen? Das Verstehen und die Lösung eines formalen Problems, die Neuordnung der Welt?

(Louise Bourgeois)

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Form

Das, was mir zunächst als Erleichterung, als Öffnung für alles Mögliche, erschien, erweist sich zunehmend als Schwierigkeit. All die Eindrücke, Erlebnisse, Entdeckungen, Gedanken prasseln einfach so auf mich herein, ohne dass ich Zeit finde, sie nieder zu schreiben. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass mir der Faden fehlt, an dem ich die Erlebnisse aufreihen könnte, die Form eben, die es mir ermöglichen könnte auszuwählen und anzuordnen, etwas zu erkennen in dem scheinbaren Chaos. Somit erweist sich wieder einmal, dass es Zufälle eigentlich nicht gibt, dass ich hier schon seit einiger Zeit über Form nachdenke, bevor ich realisiert habe, dass sie mir fehlt. Formen und Grenzen und die Bewegungen dazwischen.

Form ist ja nicht zuletzt eine Möglichkeit, den Zweifel in Schach zu halten. So weit jedenfalls, dass er Worte finden kann und sich nicht auf Lähmung und Angst beschränkt. Und die mir angemessene Form zu finden könnte helfen, diese lineare, funktionelle, ergebnisorientierte Denkweise zu ändern, wirklich zu begreifen, dass es nicht darum geht, Aufgaben zu erfüllen, Rätsel zu lösen, und dann bist du am Ziel, wirst belohnt, hast es geschafft. Es geht vielmehr darum, in Bewegung zu bleiben, ständig bereit, sich zu verändern. Dann kannst du alles loslassen und trotzdem damit in Verbindung bleiben.

Und eine Form ist nichts Feststehendes, nichts endgültig Unveränderliches, eher so etwas wie eine flexible Grenze innerhalb derer Entwicklung und Veränderung stattfinden kann.

Der Künstler bringt einen Gedanken, eine Idee, ein Gefühl, in eine bestimmte Form. Und dann lässt er los. Was der Betrachter sieht, was er fühlt, begreift und zu verstehen glaubt, entzieht sich dem Einfluss des Künstlers, die Form legt nicht fest, sie stellt vielmehr einen Raum zur Verfügung, in dem Entfaltung stattfinden kann.

 

Louise Bourgeois

Man ist allein geboren. Man stirbt allein. Der Sinn des Zeitraums dazwischen ist Vertrauen und Liebe. Deshalb ist der Kreis, geometrisch gesprochen eine Eins. alles kommt zu dir vom Gegenüber. Man muss in der Lage sein, das Gegenüber zu erreichen. Wenn nicht, ist man allein.

(52)

Sebastião Salgado: „Schwarz-weiß ist eine Abstraktion, es erlaubt mir die Konzentration auf das, was ich Würde nenne, auf das Essenzielle.“

 

Ein Satz, den ich nur halb verstehe. Ästhetisch leuchtet mir das völlig ein, Abstraktion, keine Ablenkung durch Farben, nur Formen, Licht und Schatten. Aber wenn es um Würde geht, um das Essenzielle (was ist das Essenzielle?), sind da nicht gerade die Grautöne wichtig? Macht da eine reine Abstraktion nicht alles kaputt?

 

Spiegel

Sagen: es bricht mir das Herz, und dann einfach weitergehen. Weitermachen. Da ist kein Platz für mich. Diese Feststellung. Und wie man darüber hinweggeht. Ein Fehler vielleicht. Fehltritt und Stolpern. Weil der Schmerz ein Spiegel ist, die Ablehnung auch. Und der Spiegel spricht. Viel später dann auch zu Schneewittchen, was das Märchen verschweigt.

Perspektiven

http://www.saveellisisland.org/gallery/unframed-ellis-island-by-jr-photo-gallery/
http://www.saveellisisland.org/gallery/unframed-ellis-island-by-jr-photo-gallery/

Man müsste natürlich mehr dazu schreiben, zu Unframed von JR, zu Ellis Island und Uljana Wolf, und was das mit der Gegenwart zu tun hat. Mit dem Kosovo zum Beispiel, und der Entscheidung, Flüchtlinge, die „nur“ vor Armut und Perspektivlosigkeit flüchten, nicht zu akzeptieren. Überhaupt zu schreiben von dieser Gefahr der Perspektivlosigkeit. Der allergrößten Gefahr überhaupt für alle Gesellschaften. Viel größer als die des Terrorismus, der immer schon nur eine Folge fehlender Aussichten ist.