Die Sehnsucht anders zu sein

„Die Sehnsucht, anders zu sein, als du bist. Das ist der größte Schicksalsschlag, der einen Menschen treffen kann. Die Sehnsucht, anders zu sein, als man ist: eine schmerzlichere Sehnsucht könnte im Herzen nicht brennen. Denn das Leben läßt sich nur ertragen, wenn man sich mit dem abfindet, was man für sich selbst und für die Welt bedeutet. Man muß sich damit abfinden, daß man ist, wie man ist, und wissen, daß man für dieses weise Verhalten vom Leben kein Lob bekommt, daß einem keine Orden an die Brust gesteckt werden, wenn man weiß und erträgt, daß man eitel ist oder egoistisch oder glatzköpfig und schmerbäuchig – nein, das muß man wissen, daß man kein Lob, keine Belohnung erhält. Man muß es ertragen, das ist das ganze Geheimnis. Man muß seinen Charakter, sein Naturell ertragen, da weder Erfahrung noch Einsicht an den Mängeln, am Eigennutz und an der Habgier etwas ändern. Wir müssen ertragen, daß unsere Sehnsüchte in der Welt kein vollkommenes Echo haben. Wir müssen ertragen, daß die, die wir lieben, uns nicht lieben, oder nicht so, wie wir es hofften. Man muß Verrat und Treulosigkeit ertragen, und man muß, schwerste aller Aufgaben, es auch ertragen, wenn einem jemand charakterlich oder intelligenzmäßig überlegen ist.“

Sándor Márai : Die Glut

Und dazu gäbe es noch sehr viel zu sagen. Und dem gibt es nichts hinzuzufügen.

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