Irgendwann während der letzten zehn Jahre, habe ich mir angewöhnt, die Fragen gegen Ratlosigkeit einzutauschen, und die Ratlosigkeit schließlich gegen Gleichgültigkeit. Die Suche nach Antworten, nach einer Wahrheit, an deren Existenz ich wirklich lange geglaubt habe, viel zu lange vermutlich, und das Recht auf eigene Irrtümer, habe ich aufgegeben, den Widerspruch verlernt. Entweder etwas ist wahr oder falsch habe ich zu denken angefangen, und das war der erste Schritt zu einer Art Selbstaufgabe. Von dort aus war es nicht weit, schließlich ganz und gar zu verlernen, mich zu vertreten.
Ein beherztes JA. Vielleicht kann man auf diese Weise sogar ein Ja gegenüber dem Tod finden. Gerade Ente, Tod und Tulpe gelesen und angeschaut. So ein schönes, versöhnliches, verständnisvolles und lebensbejahendes Buch. Es ist nicht zuletzt der Tod selbst, der die lebensbejahende Rolle spielt in dem Buch. Was sehr folgerichtig ist, wenn man nur einmal ein wenig darüber nachdenkt. Der Tod begleitet mich jetzt schon so lange. Ich war 5 Jahre alt, als er mit aller Gewalt und Unverständlichkeit in mein Leben trat. Dann 10, dann 22, dann 24. Dann war er weiter entfernt bei seinem Eintreffen und mein Leben vielleicht in diesem Moment ein echtes Bollwerk gegen jeglichen Tod, der nur entfernt mit mir verwandt war. Aber wirklich abwesend war er nie. In regelmäßigen Abständen gab er sich zu erkennen. Erinnerte an sich.
Seit einigen Monaten arbeite ich am Thema Tochter. Eine der Künstlerinnen, mit denen ich manchmal eher zufällig zu tun habe, hat angeregt, dass wir uns doch einmal Gedanken machen könnten, was das eigentlich bedeutet: Tochter zu sein. Und erst als wir uns das erste Mal getroffen hatten, wurde mir klar, dass ich mich zuvor wirklich niemals damit beschäftigt hatte; mit meiner Rolle als Tochter. Seit ich Kinder hatte, habe ich mich für die Mutterrolle interessiert. Vorher im Studium mochte ich die Familiensoziologie. Ich habe eine Hausarbeit geschrieben über Tischgespräche und über die Adoption. Aber, so verrückt das auch klingen muss, ich habe mich wirklich nie damit auseinander gesetzt, dass ich eine Tochter bin, und was das für mich bedeutet. Ich bin froh, dass dieser Prozess jetzt angestoßen wurde. Wir sind fünf Frauen. Keine von uns hat eine unproblematische Tochtergeschichte. Gerade deshalb ist es wichtig, darüber zu reden, zu schreiben, sich damit auseinander zu setzen.