Seit mittlerweile 5 Ausgaben freue ich mich sobald die Volltext im Briefkasten liegt, ganz besonders auf Jan Wilms Begegnungen in der Autofiktion. Das ist genau die Art von Auseinandersetzung mit Literatur, die mich einnimmt, so – diesen überflüssigen Satz kann ich mir entgegen besseren Wissens nicht verkneifen – möchte ich auch schreiben. Über Bücher, über Gedichte, über meine Lektüre. In seiner aktuellen Begegnung mit Peter Weiss, Hervé Guibert und dem eigenen Penis, schreibt Wilm: „Ich bin nicht fürs Feuilleton tätig, sondern für die Literatur.“ Ja, denke ich, das ist der Weg, den ich irgendwann verlassen habe, von dem ich abgekommen bin, immer weiter weg von der Literatur an sich, hin zu den vermeintlichen Ansprüchen und Erfordernissen des Feuilletons. Wie dämlich. Aber Freiheit, das habe ich schon häufig in allen möglichen Formen von Texten geschrieben, ist etwas, womit ich nach wie vor schlecht umgehen kann. Etwas, das mir womöglich immer noch und immer wieder, Angst macht. Auch dazu hat Wilm einen leuchtenden Satz: „Man wird zum Künstler, weil man sich vor dem Leben fürchtet, weil die Angst alles durchsträhnt, weil der Sturz ins Innere eine ungeheure Furcht verströmt.“ Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächste Begegnung mit Wilm und der Autofiktion. Und bis dahin versuche ich selbst wieder etwas regelmäßiger hier zu schreiben.

Hast du Hervé Guiberts Autofiktion mal gelesen? Ich fand’s teilweise sehr beeindruckend und teilweise wegen der Schonungslosigkeit seiner Verzweiflung sehr hart. Das erste autofiktionale Buch hat dazu damals in Frankreich noch einen Sturm im Wasserglas ausgelöst, weil er in diesem Buch offen erzählt hat, dass Michel Foucault (im Buch „Muzil“ pseudonymisiert) an den Folgen von Vollbild-AIDS gestorben ist und die offiziell verbreitete Todesursache ja eine andere war.
Ich habe „Der Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat“ gelesen, und ja, ich war auch sehr beeindruckt.
Das fand ich ein sehr starkes Buch. „Mitleidsprotokoll“ kam da meines Erachtens nicht ganz so heran, aber das muss nicht an dem Buch selber gelegen haben, sondern rein subjektiv vielleicht einfach daran, dass zu dem Zeitpunkt auch allen Lesenden klar war, er schafft es schließlich nicht zu überleben, bis es bessere Medikamente gibt und dann hat sich zumindest meine Wahrnehmung verändert.
Ich hatte während des ersten Shutdowns „Die Blinden“ (fiktiv), „Mitleidsprotokoll“ und „Das Paradies“ (da verschwimmt schon, was autofiktiv und was fiktiv ist) gelesen. „Der Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat“ schon 2019.
Bei mir ist die Lektüre schon sehr lange her. Ein Freund hat es mir damals geschenkt, also den Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat, da war es – glaube ich – gerade erschienen.
mich freut, was du oben schreibst,
hab vielen dank!
donnerstag u freitag musste i unterwegs sein, von termin zu termin, und aushäusig auch übernachten. den volltext in seiner dünnen versandhülle – diese immerhin oben aufgeschnitten! – trug i in der arbeitstasche immer mit, hatte aber bis jetzt nicht den äußeren/inneren raum, das heft anzusehen … dennoch tröstlich und köstlich, das heft bei mir zu tragen …
die angst durchsträhnt alles, das will i gerne unterschreiben, sie ist ein gewaltiges schwungrad, und i habe oft erlebt, welch große arbeit es ist, sich in den eigenen innenweltenraum zu begeben, sich darin zu bewegen, nicht unterzugehen; i denke, dass diese unsere heutige, jetzige gesellschaft vielfältige strukturen geschaffen hat, die u.a. auch dazu beitragen, dass menschen sich, ihre angst, nicht fühlen müssen/können; wie genau aber das causale geflecht beschaffen ist, das einen menschen zur künstlerin werden lässt, das weiß ich nicht … vermute jedoch, dass sich dazu – ergänzend, erweiternd zu dem von dir oben zitierten – noch viele andere sätze finden ließen …
spannend!
ja, er schreibt ja weiter in diesem Zitat, dass da eine gewisse Lust ist, an diesem Schrecken. Die ich so nicht kenne, die Lust. Aber es ist wohl so, dass Künstler und Künstlerinnen, alle die sich mit Kunst beschäftigen und vor allem Kunst schaffen, gar nicht anders können als an die Grenzen des Sagbaren zu gehen, um immer neue Formen des Ausdrucks zu finden. Das ist ja zugleich Fluch und Segen und irgendwie (so scheint es mir zumindest) nicht wirklich selbst gewählt. Eine Art Schicksal, auch wenn das jetzt viel zu groß klingt…
„… und irgendwie (so scheint es mir zumindest) nicht wirklich selbst gewählt. Eine Art Schicksal, auch wenn das jetzt viel zu groß klingt… “
hm, also i glaube zu verstehen, zu ahnen, was du meinst … manchmal springt mich der gedanke an, dass ich mich offensichtlich spät im leben mit irgendwas infiziert hab, das nicht mehr weggehen will, das mich treibt und treibt, gegen alle biografiebedingten widerstände im feld der sprache zu scharren, zu graben, zu ackern, immer weiter und weiter, obwohl es zugleich so un-sinnig, irrational, vergeblich, vielleicht sogar lächerlich scheint …
„Man wird zum Künstler, weil man sich vor dem Leben fürchtet, weil die Angst alles durchsträhnt, weil der Sturz ins Innere eine ungeheure Furcht verströmt.“ – Danke!
Kann ich nur bestätigen. Sehe es aber als Segen.