Uncreative Writing

Seit einiger Zeit lese ich Uncreative Writing von Kenneth Goldsmith, und gestern habe ich dann auch mal einen Versuch in dieser, erstaunlich spannenden, Art zu schreiben gemacht:

Timeline FB 20-05-2020

Die blutige Gudrun

will mit dir in die Buchhandlung

Weißt du was hat sich ein kleines gebrauchtes Auto gekauft

Berufstätige Eltern tragen derzeit eine besonders große Last

Heute ist Ehrentag – Weltbienentag

Erste Hornisse des Jahres fliegt zum Küchenfenster herein

Die Welt von morgen

Wir sind eine Generation ohne Bindung und ohne Tiefe

Reinrot. Gelb. Puderrosa.

Solche Dinge sind grässlich, und ich verstehe völlig,

wenn niemand so etwas tun will.

Sie führt uns ihre Sterblichkeit vor Augen.

Mögen Ihnen die himmlischen Heerscharen wohlgesonnen

sein und auf dass sie Sie wohl behüten, wenn die Welt

um sie herum im Sturm losbricht. Ich mag Sie nicht so sehr.

Und jetzt ist es mal gut.

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Universelle Muttersprache oder Babeltreck

Eine wahre Übersetzung, schreibt John Berger, verlangt nach einer Rückkehr ins Vorsprachliche. Und weiter: „Eine gesprochene Sprache hat einen Körper, sie ist ein lebendiges Geschöpf, dessen Physiognomie aus Worten besteht und dessen Organe linguistisch miteinander verbunden sind. Und das Zuhause dieses Geschöpfs ist zugleich das Ausgesprochen wie das Unausgesprochene.“ […] „In einer Muttersprache sind alle anderen Muttersprachen enthalten. Oder um es anders auszudrücken – eine Muttersprache ist universell.“

Mit ist dazu sofort Uljana Wolfs Gedichtband „Meine schönste Lengevitch“ eingefallen, in dem sie sich ebenfalls – wie immer auf zugleich poetische und originelle Weise – mit Sprache, Übersetzung und Muttersprache, aber auch Sprachvermischung, beschäftigt. Im letzten „Babeltreck“ betitelten Kapitel erzählt sie u.a.: „die kinder mit ihren wilden lauten, mit dem ersten blusteren lallen, sind in der lage, alle denklichen laute aller sprachen zu erzeugen, blase steigt auf, welche sie dann vergessen, blase schwebt bedeutungsschwanger überm mittag, wenn sie ihre muttersprache lernen, platzt“

Ein paar Seiten weiter geht es um die Struktur, die sie sich borgt: „um zu schreiben, zu entscheiden. wo sprachen (themen) in kernnähe sich miteinander vereinen und gemeinsam nach außen führen,um dort das wort (symptom) zu erzeugen, da entstehen bei der verschmelzung beider sprachen (themen) deutlich entgrenzende oder aufschäumende (irrationale) anhaftungen […]“

Hinaus

Bislang ist es uns nicht gelungen, dich aus dir heraus zu schreiben. Wir arbeiten daran. Mit nicht nachlassender Beharrlichkeit. Deine Treue zu dir kann unmöglich so unerschütterlich sein, wie du dir selbst weis zu machen versuchst. Wenn du dich in dich kehrst, was findest du dann? Ist dieser unsortierte Haufen aus Angst und Verzweiflung es wirklich wert, ihm die Treue zu halten? Über mehrere Jahre und jede Hoffnung hinaus?

Passolini

Die Gefahr, sich unbeliebt zu machen, jagte mehr Angst ein als die alte Gefahr, die Wahrheit zu sagen. Überhaupt war die spezialisierte Kultur ihrer Zeit würdig: ihre innere Organisation war längst zu etwas definitiv Pragmatischem geworden: intellektuelle Produkte waren wie alle anderen: sie definierten sich durch Erfolg oder Mißerfolg […] Die einzige Wirklichkeit, die mit dem Rhythmus und der Atemlosigkeit der Wahrheit pulsierte, war die – erbarmungslose – Wirklichkeit der Produktion, der Sicherung des Geldwerts, der Erhaltung der alteingesessenen und für die neue Macht unabdingbaren Institutionen.

(Pier Paolo Passolini)

Muster

Man weiß ja nicht, was es ist. Woher es kommt, und wohin es führt. Als wäre man immer irgendwo mittendrin in dem Knäul und die Aufgabe besteht darin, sich zu entwickeln. Einen Faden auszuwählen, dem man eine Zeit lang folgt. Bis er ausläuft oder in einem unlösbarem Knoten endet. Oder sich im besten aller möglichen Fälle glücklich mit anderen Fäden verknüpft, um ein Netz zu weben. Ein Muster.