„Entwaffnend ehrlich“, auch bei diesem Buch stehen diese zwei Worte auf dem Klappentext. Und während ich derartige Werbebotschaften sonst eher unbemerkt hinnehme, überlese, frage ich mich plötzlich, was damit eigentlich gemeint ist: entwaffnend ehrlich. Als hätten wir nichts besseres zu tun, als mit Schwertern und Pistolen auf die Lügen der anderen los zu gehen. Als würden wir nicht ganz gerne mal ein paar Lügen hören.
Und ich erinnere mich, an die Tage, die schon immer Schwundstufen ihrer selbst waren. Wenn es einen durchgehenden Sinn in meinem Leben gibt, dann den, andere immer wieder aufs Neue zu enttäuschen.
Entwaffnend meint: sich in seiner Erbärmlichkeit zeigen. Ohne den Schutz von Masken. Aber es passt noch immer nicht. Weil man sich doch nicht strategisch entscheidet, sich so zu zeigen, als Reaktion auf eine Bedrohung. Ich meine, was sind die Waffen? Wofür stehen sie?
Also lese ich weiter. Von diesem Anspruch, fast schon Zwang, ein guter Patient sein zu wollen. Die Aufgabe, gleichzeitig krank genug zu sein, und bestmöglich an einer Heilung mitzuwirken, wird zu einer Schulaufgabe, die plötzlich zu einer Lebensaufgabe herangewachsen ist, die zur Zufriedenheit aller gelöst werden muss. Eine Aufgabe, an der man zwangsläufig scheitern muss. Das ist sehr aufrichtig und sehr traurig, und etwas, das zumindest ich, sehr gut nachvollziehen kann. Dieses Streben alles immerzu möglichst richtig und zur Zufriedenheit der anderen zu erfüllen, und die Überzeugung, es bei aller Anstrengung nie auch nur annähernd hinzubekommen.
Und dieser zermürbende Zweifel ist wertvoll. Weil er das einzige ist, was man hat. Weil man ja nicht einmal traurig ist, nur leer. Und in dieser Leere hegt man den Zweifel, in der Hoffnung, es könnte etwas anderes daraus werden als Selbsthass.
Oder der vermeintliche Wunsch zu sterben.
„Eigentlich willst du das nicht. Du kannst nur grad nicht nicht wollen.“
So einfach ist das. So widersprüchlich.
Und wie die schönen, vermeintlich poetischen Sätze, durch genaues Hinsehen, durch Aufrichtigkeit, die Abgründe offenbaren, die sie unter dem Eindruck des Schönen, nur dezent durchscheinen lassen.
„Ich bin ein unglücklicher Mensch, der mit Glück überschüttet wird.
[…]
Ich bin ein Mensch in panischer Angst, der mit Glück überschüttet wird, bis es ihm
die Luft abdrückt.“
Das ist ja auch eine Art von Entwaffnung.
„Mitten im Leben einige Schritte aus dem Alltag zurücktreten zu müssen, oder besser zu dürfen, und die Chance zu haben, sich alles anzusehen, ist befremdlich und verunsichernd. Für mich war es aber auch ein Abenteuer, ein ebenso schreckliches wie wunderbares Geschenk. Ich sah mein Leben an und sah, dass es Mist war.“
Entwaffnend. Jetzt habe ich es verstanden. Weil man die Rüstung ablegt. Sich verletzbar macht. Das ultimative Friedensangebot.