Alles scheint gerade widersprüchlich zu sein.
Ich verliere mich immer wieder in dieser Schlucht zwischen dem, was nicht (mehr) ist, und dem, was (eigentlich) sein sollte.
Meine Söhne arrangieren sich so gut sie können mit der Situation. Später werden sie vielleicht sagen, dass ich so eine enge Bindung zu meinem Bruder habe, liegt auch an dieser verrückten Zeit der Pandemie, damals, 2020.
Was mir gerade zu schaffen macht ist, dass alles, was ich tue offensichtlich auf eine Zukunft ausgerichtet sein muss, nur so ergibt es Sinn für mich, nur auf diese Weise konnte ich bislang ein Ziel verfolgen. Da aber momentan jegliche Art von Zukunft vollkommen unklar und unsicher ist, gelingt es mir nur sehr schwer, mich für etwas zu motivieren. Stattdessen verwahrlose ich. Siehe oben.
Andererseits ist es vielleicht gleichzeitig die Begründung dafür, dass mich die Verlustängste kaum selbst berühren. Ich mache mir Sorgen um all die wunderbaren kleinen Verlage, um die kleinen unabhängigen Theater und natürlich um die Künstler selbst, für die all das, was gerade geschieht, eine unvergleichliche Katastrophe sein muss. Aber die Tatsache, dass die Regale jetzt häufiger leer sind, dass gestern als ich zur Arbeit gekommen bin, ein Zettel an der Tür hing, auf dem stand, die Geschäftsstelle sei bis Ende April geschlossen, das verwirrt mich kurz, aber es erschüttert mich nicht. Scheinbar habe ich dieses Thema völlig an M. abgegeben, der immer wieder kurze Krisen der Existenzangst durchlebt.
Die leeren Straßen, die ungewohnte Ruhe, die – gerade jetzt im Frühling – sonst überfüllten Parks, in der man jetzt kaum Menschen sieht, all das könnte sehr schön sein, man könnte es geradezu genießen, wenn es gelingt auszublenden, warum das alles gerade so ist, wie es ist.