24. Dezember

Sebald schreibt: „die Stare haben ihr Leben vergessen“, Cotton und Falkner streiten, über Selbstbilder und Egos, und genau deshalb langweilt es mich, nicht weil ich es nicht verstehe, die Geschenke sind eingepackt, der Weihnachtsbaum noch nicht aufgestellt, die Erinnerungen tanzen Ringelreihen, verknoten sich, kommen zu Fall, bevor sie die eigene Kindheit erreichen (die Kindheit der Erinnerungen, wäre auch ein schöner Buchtitel). Es ist eine unendlich stille Nacht. Mitten am Tag.

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Das eigentliche Schreiben ist eine Zärtlichkeit

Möglicherweise bin ich ungeduldig. Ebenso möglich erscheint mir die Annahme, dass das Buch, mein Buch, von dem ich so lange geträumt habe, von dem ich immer noch weiß, dass es gut ist, ein Flop ist. Nicht gebraucht, nicht gelesen, geschweige denn gekauft wird.

Das klingt, als wollte ich Zuspruch, Ermutigung. Sätze wie: du musst Geduld haben, das kommt schon noch, all die Beispiele von späteren Literaturnobelpreisträgern, deren erstes Buch ein totaler Reinfall war. Vielleicht will ich das auch. Aber eigentlich will ich etwas anderes. Viel Schwierigeres; nämlich an den Punkt kommen, an dem es mir egal ist. Wo nicht länger die Rezeption eine Rolle spielt, sondern nur noch das Geschriebene. Meine Haltung. Nur, dass das eigentliche Schreiben eine Zärtlichkeit ist (in Anlehnung an Fernando Botero).

Tanderadei

Die aussterbenden Sterne einer untergegangen Stadt. Reisen in die Rückwärtigkeit. Die einen schweigen, die anderen vertiefen sich in das Sprachlose. Während der Mond. Tanderadei.

Zehn

Bei Zehn anfangen und dann rückwärts zählen. Die Träume vergessen bei Eins und die Tränen bei Null. Springen, ohne zu wissen, wo man aufkommen wird. In welcher Weise das Leben aufkommen wird für mich. Ein Auskommen und Aufkommen. Und natürlich frage ich mich, was ich hier will und mache Pläne für das nächste Jahr, weil es immer einfacher ist, sich die Zukunft vorzustellen, bevorstehende Niederlagen in die Zukunft zu verlegen, statt die Niederlagen der Gegenwart auszukosten. Die Balance zu finden, zwischen der notwendigen Niedergeschlagenheit und der ebenso notwendigen Hoffnung, alles könnte noch einmal gut werden.

Jesse Thoor

Ulrike Almut Sandig hatte auf der Veranstaltung in Detmold, von der ich unlängst berichtet habe: , als eines ihrer liebsten Gedichte „In einem Haus“  von Jesse Thoor gewählt. Ein scheinbar kindlich naives Gedicht. Vor allem aber ein Gedicht von überwältigender Schönheit. Ein wenig so wie die Bilder von Karin Kneffel, die eine große Schönheit zeigen, sich darin aber nicht erschöpfen. Außerdem gibt es noch diesen doppelten Boden, eine Verunsicherung, die Erinnerung daran, dass wohl nichts auf dieser Welt so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Das das Sichtbare nur ein schwacher Abglanz von dem ist, was sich unter der Oberfläche verbirgt.

Thoors Gedichte sind Lieder einer Sprache, die sich nur der Worte bedient, die übrig bleiben, wenn einer so verzweifelt nach der Wahrheit sucht, dass es ihm gelingt, sämtliche Selbstliebe zu überwinden.