Marina Abramovic und Ulay – The Artist is present

Mittwoch in einer wunderbaren Ausstellung im Marta gewesen. „Harmonie und Umbruch“, und bei dieser Gelegenheit noch einmal Ausschnitte aus dem Great Walk von Marina Abramovic und Ulay gesehen. 2000 km in 90 Tagen aufeinander zu gehen, um am Ende eine rote und eine weiße Fahne zu schwenken und einander Lebwohl zu sagen.

Und seltsamerweise, ich habe wirklich keine Ahnung warum, habe ich dann zu Hause angefangen, ein wenig zu Ulay zu recherchieren. Was macht er eigentlich heute? Wie sieht er die ganze Geschichte? Dabei bin ich u.a. auf ein Interview aus dem letzten Jahr gestoßen, in dem ich erfahre, dass er ein Buch geschrieben hat, und dass er bereits 1974 eine Ausstellung unter dem Titel „The Artist is present“ hatte. Selbst wenn dieser Satz natürlich sehr nahe liegt, auch wenn Ulay, wie er selbst sagt, ihn seiner Zeit spielerisch aus dem Kontext zahlreicher Einladungstexte zu Ausstellungseröffnungen extrahiert hat, vielleicht hätte diese Tatsache spätestens im Film „The Artist is present“ kurz am Rande erwähnt werden können.

Andererseits, was weiß ich schon von Marina Abramovic Geschichte, von ihren Gründen.

Sie sagt, Ulay habe ihr bei diesem von vornherein als Abschiedsmoment geplanten Zusammentreffen auf der Mitte der chinesischen Mauer gestanden, dass seine chinesische Übersetzerin von ihm schwanger sei. Er selbst sagt, das Kind wurde 15 Monate nach der Trennung von Marina Abramovic geboren.

In „The Biography of Biographies“ schreibt Marina Abramovic: „Within the context of self-expression, the biography is especially important. It is neither a part of the present nor a part of history, never a mere past. While the past is unordered past, even if there is a before and after, biography is an ordered past, structured in blocks, aimed at an objective, an analyzed history at least.”

Vielleicht erklärt dieser Satz über das Wesen der Biographie etwas. Vielleicht muss man als Künstler (jedenfalls wenn man Erfolg haben möchte), seine eigene Geschichte schreiben, einige Details verändern. Vielleicht hat es auch mit dem Manifest von Marina Abramovic zu tun. Vielleicht ist es etwas, das zwangsläufig geschieht, wenn jemand plötzlich viel Erfolg hat, im Rampenlicht steht, den Durchbruch nach einem hartnäckigen Kampf geschafft hat.

Fakt ist, es gibt, was Ulay und Abramovic angeht, verschiedene Geschichten, unterschiedliche Darstellungen, was ihr Werk, ihr Wirken, die Konsequenz ihrer Arbeit nicht schmälert, aber das hässliche Licht des Kunstbetriebs mit seinen Intrigen und Kämpfen, Neid und Verleumdung, und vor allem wohl der Frage nach Macht, auf ihre Person fallen lässt.

Oder spiegelt dieses Detail viel eher uns, als Teil einer Gesellschaft, die sich (wie vermutlich alle Gesellschaften) doch eher für die kleinen Intrigen am Rand interessieren, als für großartige Ideen, die uns schnell überfordern?

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Dreh dich nicht um

Alles ändert sich. Selbst du. Selbst dein Denken, dem an allen möglichen Stellen die Enden abgeschnitten werden. Etwas richtet sich auf, du selbst aber bleibst liegen. Tödlich getroffen, weil dir keiner schenkt, was du dir selbst nicht geben kannst.
Die Zeit, hat man dir früher erzählt, heilt alle Wunden. Dass sie es tut, indem sie neue reißt, macht den Satz nicht zu einer Lüge. Dreh dich nicht um. Was hinter dir liegt, holst du nie mehr ein.

 

Singen

Wir schweigen, aber in das Schweigen legen wir all unsere Ansprüche, verstanden zu werden. 

Sonnenstrahlen fielen auf die Gleise, auf denen sie sich verirrt hatte. Sie ging ihnen nach. Was hatte sie jetzt noch zu verlieren, außer ihrem Anspruch trotz allem glücklich zu sein?

Manchmal legte sie den Kopf auf die Gleise, wartete auf das Singen der Schienen, das einen Zug ankündigte. Sie lauschte dem Singen lange nach, bevor sie im letzten Moment aufstand und zur Seite sprang, um den Zug an sich vorbeirauschen zu lassen.
Wem schulde ich meine Zeit? Sie machte ein Lied aus dieser Frage und lief weiter, den Sonnenstrahlen entgegen.
Dass sie einholen würde, was sie zurückließ, war ihr gleichgültig. Sie sah darüber hinweg.
Und ihr Blick trug weit.

Die Reise

Der Morgen betrug sich nüchtern. Die Sprache spielte uns aus.

Wir setzten unsere Pläne nicht behutsam durch, sondern mit einem harten Schnitt, um sicher zu gehen, dass sie nicht aufgehen würden.
Alles sollte aufwärts gehen, aber wir spürten diesen Sog nach unten. Der Himmel war wolkenlos blau. Vor einer Tür stand eine Frau, ganz schwarz und weiß gekleidet, und rauchte eine Zigarette, die sie sehr sorgfältig ausdrückte, bevor sie zurück in ihr Haus ging.

Etwas machte uns Angst, etwas anderes gab uns Hoffnung, wir befanden uns dazwischen. Orientierungslos.

Spät in der Nacht, in der Hoffnung, du könntest ebenso wenig schlafen wie ich, hatte ich dich angerufen. Ich hatte so lange auf dein Band eingeredet, bis du abgehoben hast.
„Weißt du, wie spät es ist?“, hast du gefragt. Diese dumme, klischeehafte Frage, die bereits in tausenden von Filmen und Büchern in ähnlichen Situationen gestellt worden ist. Ich schwieg. (Was vermutlich ebenso wenig originell war.)
„Und jetzt?“, sagtest du. Es klang versöhnlich.
„Du bist ein Scheusal.“
„Ich weiß.“
„Wir müssen verreisen.“
„So.“
„Am besten gleich morgen.“
„Warum nicht jetzt?“
Das hatte ich nicht erwartet.
Meine Hand zitterte, aber ich sagte mit fester Stimme: „Okay, in einer Stunde bin ich bei dir.“
Nachdem ich aufgelegt hatte, standen unzählig viele „aber“ im Raum. Ich packte sie mit in die Tasche, die ich ohne zu überlegen mit mehr oder weniger sinnvollen Dingen vollstopfte.
Als ich auf die Straße trat, dämmerte es bereits, und ich ließ mit jeder Beobachtung, die ich machte, ein aber zurück.