Es ist mir gar nicht bewusst gewesen, aber scheinbar habe ich mich schon seit Tagen mit dem Wesen der „Fragen“ beschäftigt.
Vor einiger Zeit schon habe ich folgendes notiert: Es gibt unterschiedliche Arten von Fragen, die, die mit ihrer Neugier und Anteilnahme, Türen öffnen, und die anderen, die dich bloßstellen, weil sie nichts wissen wollen [über dich], nur ein längst fertiges Bild von dir abgleichen wollen.
Und gestern dann in diesem Gespräch von Uljana Wolf, Alexander Gumz und Karla Reimert mit Anne Carson. Die Eingangsfrage von Wolf zielt gleich auf das Wesen der Frage ab. Was ist eine Frage? Und Carson antwortet, dass die wichtigste Frage die ist, was die Frage ist.
Sich Material und Informationen zu verschaffen ist heute vielleicht so leicht, wie niemals zuvor, und umso schwerer wiegt ja die Frage, worum es eigentlich geht, was eigentlich die Frage ist.
Und hier gleich wieder ein Einschub, denn wiederum vor ein paar Tagen, habe ich etwas von Maurice Blanchot gelesen. Blanchot schreibt: „Die Frage ist der Wunsch des Gedankens. Die Antwort ist das Unglück der Frage.“
Ich weiß nicht, ob ich Blanchot mit dem zweiten Satz folgen kann. Und will. Ich denke auch hier kommt es auf die Antwort an. Da gibt es solche, die weitere Fragen zulassen, und die anderen, die einengen, Räume schließen.
Carson sagt weiter: „Ich meine, man kann kein Gedicht schreiben, wenn man keine Frage hat. Man kann keinen Gedichtband zusammenstellen, wenn man keine Frage hat. Also – was ist eine Frage? Ist die Frage.“
Ehrlich gesagt, überfordert mich das ein wenig. Ich nehme es Carson fast übel, dass sie mich so allein lässt mit der Frage nach dem Wesen der Frage, der Beschaffenheit, wie auch immer. Dass sie mir keinen Weg zeigt, wie ich vielleicht keine Antwort, aber den Weg zu einer Antwort finden kann. Oder übersehe ich den Hinweis, den sie vielleicht doch gibt?
Was eine Frage ist? Leicht erklärt.
Ich bin in einer fremden Stadt, sagen wir in Wien, ich guck mich um und kenne mich nicht aus, ich will aber zum Goethedenkmal um von dort aus auf das Schillerdenkmal zu sehen. Ich frage also einen oder eine, ich Frage die Frage weil ich zum Goethedenkmal will, um von dort aus auf das Schillerdenkmal zu sehen.
Nun, gäbe es das Denkmal nicht, gäbe es die Frage nicht, aber es gäbe dann andere Frage, eine zum Beispiel konnte lauten, warum gibt es in Wien kein Goethedenkmal
Eduard Zwierlein macht die Frage nach der Frage zum Zentrum der Anthropologie schlecht hin. Ich denke die offenheit von Was ist ein Gedicht? korrespondiert der von Was ist der Mensch? Sinn also ist die Suche nach Antwort und nicht die Antwort selbst. Jede Antwort oder Bestimmung vergeht.
Ja, die Offenheit. Ich glaube, das ist ein wichtiger Hinweis, ein bedeutender Aspekt. Die Frage ist das, was in Antworten aufbrechen kann, aber letztendlich geht es nie um ein Ankommen, sondern immer wieder genau darum, einen Punkt zu finden, von dem aus ein Aufbruch möglich und fruchtbar ist.
Ja!
Oh, da hast du bei mir grad die richtigen Fragen gestellt. Aber nein, ich habe keine Antworten, aber es ist eben auch so eine Frage, an der ich rumkaue. Weniger die Grundsatzfrage, was die Frage ist, aber der Sinn, der Grund der Frage: Woher sie kommt, was sie bei mir will, warum sie mich besucht und belästigt (denn das tun sie sehr oft, die Fragen). Puh, was für ein Gedankenfutter wieder. 🙂
Danke!
Na ja, vielleicht will sie dich nur zum Aufbruch auffordern, dir eine Richtung vorschlagen für den Weg?
Vielleicht ist es mit Fragen ein bisschen wie mit Hunger und Essen. Gute Fragen (und gute Antworten) machen satt und sorgen für Wohlbefinden, weil sie mit den nötigen Nährstoffen versorgen und auch weil sie ein Genuss für die Sinne sind. Und natürlich kommt trotzdem irgendwann wieder der Hunger. Das ist unsere Natur. Schlechte Fragen (und schlechte Antworten) sättigen nicht, sondern hinterlassen ein Gefühl der Leere oder der Überfüllung oder verderben den Appetit.
Das mag ein simples Bild sein, aber ich glaube, dass es sich abseits von intellektueller Betrachtung sehr gut mit unserem eigenen Gespür (nicht mit Gefühligkeit) beantworten lässt. Damit, dass wir ein Gespräch als befriedigend empfinden, weil wir nicht mit billigen Antworten und Überzeugungen abgespeist werden oder mit unechten Fragen hinters Licht geführt, sondern dass wir unseren Denkraum dehnen in die nächsthöhere oder -tiefere Frage hinein.
Das ist eine sehr schöne, sehr lebensnahe, eben leibliche Analogie. Und erklärt sogar Blanchots Satz auf eine Weise, dass ich ihn vollkommen nachvollziehen und annehmen kann. Wer satt ist, hat eben keinen Hunger mehr. Vielen Dank. Ich glaube, um noch ein wenig o.T. zu plaudern, dass ist auch der Grund, warum ich dann doch nicht aufhöre zu bloggen, dass es manchmal gelingt, einen unfertigen Gedanken loszulassen und andere nehmen ihn auf, reichern ihn mit den eigenen Überlegungen an und auf einmal entsteht so etwas wie ein Weg, der weiterführt.
Das gefällt mir auch so (u.a.) am Bloggen. Und ohne deine offenen Überlegungen wäre mir mein (ebenfalls unabgeschlossener) Gedanke nicht in dieser Weise gekommen. So pflanzt es sich fort und fort.
Schön, dass du hier den Raum dafür schaffst.
Ja, absolut, „die Antwort ist das Unglück der Frage“! Nein, natürlich versteh ich das auch wahrscheinlich nicht richtig, aber ich bin mir sicher, daß es stimmt, nicht ganz so heftig, aber auch wahr ist es doch, wenn sich ein Traum erfüllt – dann ist er weg, ausgeträumt! Danke Dir sehr für diesen Text! Liebe Grüsse
Das ist wie bei Iris Analogie mit dem Hunger, der Traum, die Sehnsucht sind ausgelöscht, wenn sie ihre Erfüllung gefunden haben. Ja, so ist der Satz Blanchots zu verstehen. Was mir aber so sehr gefallen hat, an Iris Überlegungen, ist, dass sie wiederum eine Offenheit in diese Aussage gebracht hat, indem sie schrieb, dass ein neuer Hunger kommt, ganz natürlich und zwangsläufig, dass also nach dem Unglück der Antwort, eine neue Frage kommen wird, ein neuer Aufbruch. Danke auch für Deine Überlegungen.
die frage nach der frage geht mir seit ich deinen eintrag gestern gelesen habe, nicht mehr aus dem kopf. die frage ist ein kind der neugier. das zumindest scheint (mir) klar. dass neugier ein zweischneidiges schwert ist, dito. es gibt also „falsche“ fragen, so wie es eine übergriffige, falsche neugier gibt, dorthin, wo mich dinge einfach nichts, nichts, nichts angehen. sensationslust wäre das zum beispiel. wenn die antwort das unglück der frage ist, ja, das ist für mich eine häufige erfahrung, die ich schon als kind immer und immer gemacht habe. die antwort ist entweder zu klein im sinne, dass sie die frage gewissermaßen abwimmelt (so hieß eine antwort auf meine kinderfrage, was das sterben denn nun sei: „ach, wir sterben noch lange nicht“ – ja, ich meine, das ist doch wirklich eine mehr als unglückliche replique), oder auf ein zu enges feld schiebt. so wie manche wissenschaftlichen erkenntnisse mich als fragende oft mehr als enttäuscht zurücklassen. antworten halten nur dann, wenn sie viele fragen nach sich ziehen. aber das ist wirklich ein weites feld. dir jedenfalls danke für die frage!
die frage ist für mich die sehnsucht nach erkenntnis.
und eine antwort ist dann gut für mich, wenn sie neue fragen aufwirft, so dass der weg stets weiter führt.
die frage ist nur: wer gibt antwort(en)? 😉
(hui, hier könnte man sich in eine endlosschleife denken, sehr anregende fragen, die du hier aufwirfst!)