DEINE KINDER HABEN SICH AM GLAS GESCHNITTEN…
Deine Kinder haben sich am Glas geschnitten,
beim Griff durch den Spiegel,
in dem der geliebte Mensch sich versteckte.
Du hattest damit nicht gerechnet:
Du glaubtest, sie suchten das Glück,
keine Schnittwunden.
Du glaubtest, das Glück
werde einfach erscheinen, ohne Mühe
oder sonstige Art von Arbeit,
wie ein Vogelruf,
eine Blume am Wegesrand
oder ein silbrig schimmernder Fischschwarm,
aber nun haben sie sich geschnitten
an der Liebe und weinen heimlich,
und deine eigenen Hände werden taub,
denn du kannst nichts tun,
denn du hast ihnen nicht gesagt nein,
denn du hast nicht gedacht,
du bräuchtest es,
und jetzt ist alles voller Scherben
und die Kinder stehen da, ertappt,
und greifen noch immer nach Monden und Echos,
nach Leere und Schatten,
genau wie damals du.
[aus: Die Tür, Berlin Verlag, 2014, übersetzt von Monika Baark]