“Darf das Geschlecht der Künstler in der Rezeption und Beurteilung der Kunst eine Rolle spielen?” fragt Ute Schätzmüller heute in ihrer Blogparade, und bringt mich damit auf ein Thema zurück, dass sie selbst für mich angestossen hat. Im Rahmen meiner Beiträge zu Künstlerinnen im Surrealismus hatte ich unbedacht und relativ unwissend von weiblichen und männlichen Blicken und Herangehensweisen gesprochen und Ute machte mich auf das Genderkonzept aufmerksam, von dem ich naturgemäß auch schon gehört, mit dem ich mich aber zugegebener weise nie näher beschäftigt hatte. Das wollte ich ändern. Und das habe ich geändert, indem ich zum Beispiel nicht nur weiter über Frauen im Surrealismus las, sondern auch ein aktuelles Buch einer Neurowissenschaftlerin über Die Geschlechterlüge. Und hier schliesst sich der Kreis, weil Cordelia Fine, die Autorin besagten Buches, über viele Seiten und Beispiele lang das bestätigt, was Ute mit dem Versuch der Beurteilung von Kunst, abhängig von Wissen oder Unwissen um das Geschlecht des Künstlers zitiert. Unsere Gender Stereotype sind derart internalisiert, dass wir uns ihrer häufig gar nicht bewussst sind, sie aber durch eine so einfache Sache wie das Ankreuzen des Geschlechts auf einem Fragebogen hoch wirksam aktivieren; Frauen schneiden zum Beispiel bei mathematischen Fragen schlechter ab, wenn sie ihr Geschlecht ankreuzen mussten und Männer haben ihre Minderwertigkeit im sprachlichern Bereich dermaßen internalisiert, dass sie in diesem Bereich schlechter abschneiden, wenn sie vorher durch das Kreuzchen daran erinnert wurden, welche Rolle, sprich welche Fähigkeiten und Erwartungen ihnen durch ihr Geschlecht zugeordnet ist.
Wir sind also leider noch meilenweit entfernt davon, den Anspruch, den Meret Oppenheim bereits 1975 in ihrer Rede zur Verleihung des Kunstpreises der Stadt Bern formuliert hat, auch nur ansatzweise einzulösen. In dieser Rede forderte Oppenheim Gleichberechtigung für weibliche Künstler, lehnte aber gleichzeitig eine feministische Vereinnahmung ihres Werkes als „weibliche Kunst“ rigoros ab.
Ein bedeutendes Werk, so ihre Überzeugung, beinhalte immer den ganzen Menschen „und dieser ist sowohl männlich als auch weiblich“ (Oppenheim).
Auf Fragebögen und Anträgen für Stipendien sollte man dementsprechend vielleicht einfach beide Geschlechter ankreuzen. Möglicherweise wäre das ein zweiter Schritt. Diese Diskussion war für mich ein Anfang.