Ich bin keine erklärte Feministin, ich habe diesen ganzen theoretischen Hintergrund nicht, Judith Butler z.B. habe ich nie gelesen, aber ich bin eine Frau, und deswegen, vermute ich, muss ich solche Erklärungen vorausschicken, wenn ich mir das Recht nehme, für mich zu klären, was einen weiblichen Blick ausmacht, die weibliche Sicht auf die Welt. Denn das, so scheint mir, ist ganz tief verwurzelt weiblich (anerzogen), sich zurückzunehmen, seine eigene Meinung nicht zu wichtig zu nehmen, sondern eben nach Mustern zu suchen, nach Vorbildern und dann Dinge zu tun und zu sagen, die anderen gefallen, die den Blick nicht gerade auf einen Konflikt lenken, sondern auf etwas, das Wohlgefallen auslöst. Harmonie.
So schaden wir einander immer noch, statt uns etwas zuzutrauen, statt uns auch ein Scheitern und Irrtümer zu erlauben, statt zu sagen, wie Melusine es in ihrem Kommentar vorschlägt, dass Kochen nicht nur in der 5 Sterne Gastronomie, sondern auch in der häuslichen Küche, Kunst ist, dass das was wir tun, durchaus Vorbildcharakter haben kann, oder jedenfalls bestehen kann, jeden Vergleich bestehen kann. Statt dessen rechtfertigen wir uns und machen uns auf diese Weise angreifbar. Wir betrachten uns selbst und die andere mit Zweifel und Angst. Warum nicht mit Neugier? Mit Stolz darauf, was erreicht worden ist, auch wenn das Ziel noch in einiger Entfernung liegt. Dass Frauen ehrgeizig sind, oder sich unterordnen, dass sie aber wählen können zwischen Möglichkeiten, die ihnen sehr lange verwehrt gewesen sind. Die Frau, die nicht länger im wahrsten Sinne Hausfrau sein muss (auch wenn sie es noch sein darf, obwohl das ja auch so nicht stimmt), die jedenfalls nicht mehr notwendigerweise so verwachsen sein muss mit dem Haus, wie Louise Bourgeoise es in ihren Skulpturen zur Hausfrau verdeutlicht hat.
Aber was ist mit dem Ansehen, wenn Frau den Kopf aus dem Haus befreit. Wie wirken sich die Veränderungen darauf aus, wie Frauen angesehen werden?
„Man stelle sich ein Buch mit Bildern von Frauen vor“, schreibt Susan Sontag, „in denen keine der Frauen als schön zu bezeichnen wäre. Hätten wir nicht den Eindruck, daß der Photograph etwas falsch gemacht hat? Niederträchtig war? Ein Frauenfeind ist? Uns um etwas gebracht hat, das zu sehen uns zustand? Niemand würde dasselbe über ein Buch mit Portraits von Männer sagen.“
Schönheit als Ausdruck der Tugend, des reinen Charakters, während ein Mann nur stark sein muss, oder mächtig? Ist das noch so? Sind wir wirklich darüber hinweg?
Schönheit, bzw. die Identifikation der Frau mit ihrem Aussehen „war ein Mittel, Frauen zu inmobilisieren“, schreibt Susan Sontag. „Während der Charakter sich entwickelt, hervortritt, ist Schönheit statisch, eine Maske, ein Magnet für Projektionen.“
Aber zurück zu den Fotos. Das, was uns auf Fotos gegenübertritt, erklärt Sontag, ist das, was eine unterschiedliche Machtverteilung uns vorgibt, also nicht Frauen und Männern, sondern Bilder von Frauen und Männern. Insofern ist ein Foto eine Meinung. Was aber wenn sich die Meinung ändert, ändern sich dann auch die Fotos und der Blick auf die Bilder? Zunächst der weibliche und dann der Blick überhaupt?
„Eine der Aufgaben der Photographie besteht darin, die Mannigfaltigkeit der Welt zu erschließen und unsere Sinne dafür auszubilden. Es geht nicht darum, Ideale zu präsentieren. Es gibt kein Programm, außer Vielfalt und Interessantheit. Es gibt keine Wertungen, was natürlich in sich eine Wertung ist.
Und die Mannigfaltigkeit ist selbst ein Ideal. Wir wollen heutzutage wissen, daß es für jedes dies auch ein das gibt. Wir wollen eine Pluralität von Mustern.“ (Sontag)
Genau das löst das Fotobuch „Women“ ein. Weil es eben dies Ideal feiert.
Mit solchen Bildern.

Ohne die Augen zu verschließen vor solchen Bildern:

Vielfalt.

Und das könnte ein Anfang sein. Die Vielfalt zu feiern. Des weiblichen Blicks.
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